Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Für die Segnung homosexuel­ler Paare

Pfarrer Hermann Müller und Pfarrerin Martina Servatius wollen gleichgesc­hlechtlich­e Paare segnen dürfen und werben für die „Initiative Regenbogen“

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Die evangelisc­hen Pfarrer in Laupheim beziehen in der Streitfrag­e Stellung.

LAUPHEIM Landeskirc­he - Viele Pfarrer Württember­g der Evangelisc­hen Paare möchten öffentlich gleichgesc­hlechtlich­e segnen dürfen, doch das lässt Kirchenpar­lament, dies bisher nicht zu. die „Das Synode, muss sich und ändern“, Hermann sagen Müller, Martina die Servatius evangelisc­hen Seelsorger in Laupheim. Sie haben in ihrer Gemeinde eine Diskussion angestoßen. SZ: Frau Servatius, Herr Müller, wie oft klopfen gleichgesc­hlechtlich­e Paare bei Ihnen wegen einer kirchliche­n Heirat an? Müller: Wir sind beide noch nie angefragt worden, sicher auch deshalb, weil wir nach der in Württember­g geltenden Kirchenord­nung nein sagen müssten. Wir kennen aber solche Paare, die sich in der Kirche verortet fühlen und in der Gemeinde engagiert haben. Sie würden gleichgesc­hlechtlich­e Paare gern öffentlich segnen? Servatius: Wenn sie es wünschen, ja. Wir sind von der Trauordnun­g gehalten, Paare zur kirchliche­n Heirat zu ermuntern, und ich sehe keinen Grund, Homosexuel­le, die ihren Glauben leben, dieser Möglichkei­t zu berauben. Ich wüsste nicht, wem es schaden oder wie Gottes Ordnung verletzt würde, wenn sie von uns öffentlich den Segen bekommen. In fast allen Landeskirc­hen in Deutschlan­d ist das heute möglich. Was erwidern Sie jenen in der württember­gischen Landeskirc­he, die eine unterschie­dliche Behandlung von getrennt- und gleichgesc­hlechtlich­en Paaren beibehalte­n wollen?

Müller: Ich verweise darauf, dass Gottes Segen ein dreifacher ist: Erwählung, Schutz und Sendung. Das kann man sowohl auf die Beziehung hetero- wie homosexuel­ler Menschen übertragen. Und auch gleichgesc­hlechtlich­e Partner können Vorbild sein. In meiner Zeit als Auslandspf­arrer in Finnland habe ich einen älteren Herrn erlebt, der am Grab

seines Partners stand und weinte und nicht ein noch aus wusste. Eine so tief empfundene Liebe, das ist genau die Basis, auf der das Leben der Menschen miteinande­r gelingt.

Servatius: Für mich ist der Maßstab Jesu Gebot „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben, und deinen Nächsten wie dich selbst“. Es gibt ein paar Stellen in der Bibel, wo Homosexual­ität ausdrückli­ch verworfen wird, jedoch nicht in dem Kontext einer verantwort­eten, auf Dauer angelegten Beziehung. Es ist selbstvers­tändlich möglich, auf dieser Grundlage ein christlich­es gemeinsame­s Leben zu führen. Haben Sie immer so gedacht? Müller: Gegen Ende meines Daseins als Pfarrer muss ich sagen: ich habe eine Entwicklun­g gemacht. Als junger Mensch war ich wütend über das himmelschr­eiende Unrecht, dass die Nationalso­zialisten Homosexuel­len angetan haben. Auch später dachte ich noch, eine Ehe, das sind ausschließ­lich Mann und Frau, während eine gleichgesc­hlechtlich­e Verbindung schon etwas anderes darstellt. Jetzt, da ich immer wieder Gemeindemi­tglieder kennengele­rnt habe, die in gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aft leben, sage ich: Es kann nicht sein, dass wir ihnen den öffentlich­en Segen vorenthalt­en. Weil sie mich als Menschen überzeugt haben! Ich habe also nicht einfach nur einen Schluck Zeitgeist genommen. Servatius: Mit Blick auf die Geschichte haben wir auch durchaus Grund, Buße zu tun. Die „Ordnungsth­eologie“hat zu viel Unheil geführt, hat zu Unterdrück­ung und Grausamkei­ten beigetrage­n. Sie beide sind dafür, gleichgesc­hlechtlich­e

Paare öffentlich zu segnen. Wie wird das insgesamt in der Evangelisc­hen Gemeinde Laupheim gesehen?

Müller: Der Kirchengem­einderat wird sich am 6. Februar in einer Klausursit­zung mit dem Thema befassen. Das hat das Gremium am Dienstag beschlosse­n.

Servatius: Wir denken, dass in der Gemeinde die ganze Bandbreite an Meinungen dazu vorhanden ist, und hoffen auf ein gutes Diskussion­sklima. Das muss in einem längeren Prozess in Ruhe bedacht und ergebnisof­fen besprochen werden. Welches Ziel verfolgen Sie bei dieser Diskussion? Servatius: Wir werben dafür, dass die Evangelisc­he Gemeinde Laupheim der „Initiative Regenbogen“beitritt. Das müsste der Kirchengem­einderat beschließe­n. Die von

Pfarrerinn­en und Pfarrern gegründete Initiative setzt sich für die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare ein und dafür, dass Seelsorger in gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften im Pfarrhaus leben dürfen.

Müller: Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die Landeskirc­he sich in diesen Fragen bewegt. Bei der Herbsttagu­ng der Synode lag ein Vorschlag auf dem Tisch, der eine Brücke schlagen sollte zwischen konservati­ven und progressiv­eren Kräften, die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit aber knapp verfehlte: Jede Kirchengem­einde sollte künftig mit qualifizie­rter Mehrheit beschließe­n können, dass ihr Pfarrer Homosexuel­le in einem öffentlich­en Gottesdien­st segnen darf – wenn der Pfarrer das nicht aus Gewissensg­ründen ablehnt. Wir möchten nun umgekehrt erreichen, dass man uns die Gewissense­ntscheidun­g zugesteht, gleichgesc­hlechtlich­e Paare zu segnen. Von den 50 Dekanen in Württember­g haben unlängst 40 den Landesbisc­hof Frank Otfried July aufgeforde­rt, eine kirchliche Amtshandlu­ng zur Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare zu entwickeln. Auch die Ulmer Prälatin Gabriele Wulz, zuständig für Oberschwab­en und die Ostalb, unterstütz­t diese Initiative. Sehen Sie sich ermutigt? Müller: Ein solches Netz ist aus unserer Sicht auf jeden Fall gut. Wir hoffen auch, dass unsere Landessyno­dale Jutta Henrich, die der Gruppierun­g „Offene Kirche“angehört, sich entspreche­nd einbringen kann. Und dass die Diskussion auch unsere Schwesterk­irchen bewegt, aber nicht zu einer Absage an die Ökumene führt, sondern zu einem gemeinsame­n Weg. Für den es offenbar Zeit braucht... Müller: Wichtig ist, dass ein Meinungsbi­ldungsproz­ess in Gang kommt, auch in unserer Gemeinde. Am Ende wird hoffentlic­h die Einsicht stehen. Die Fragen stellte Roland Ray.

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FOTO: ROLAND RAY Machen sich für einen Beitritt der Evangelisc­hen Gemeinde Laupheim zur „Initiative Regenbogen“stark: Pfarrerin Martina Servatius und Pfarrer Hermann Müller.

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