Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die unamerikan­ischste Großstadt der USA

300 Jahre New Orleans – Die Stadt steht für das Miteinande­r unterschie­dlicher Kulturen und tut im Jubiläumsj­ahr das, was sie am besten kann: feiern

- Von Ronald Gerste

NEW ORLEANS (KNA) - Sie gilt als die unamerikan­ischste Großstadt der USA, ein Attribut – vielleicht gar ein Lob. Es beruht auf ihrer sorgfältig bewahrten, wenn auch inzwischen leicht verkitscht­en Tradition. Eine wichtige Touristena­ttraktion ist New Orleans allemal. Die Stadt, die wie kaum eine andere für das Miteinande­r unterschie­dlicher Kulturen steht, entstand vor 300 Jahren.

Die Gründer sprachen nicht wie jene anderer US-Metropolen Englisch (Boston, Philadelph­ia), Spanisch (Los Angeles, San Francisco) oder Niederländ­isch (New York), sondern Französisc­h. Da es keinen genauen Gründungst­ag gibt – er wird am ehesten im Frühjahr 1718 vermutet – tut New Orleans praktisch im ganzen noch jungen Jubiläumsj­ahr das, was es am besten kann: feiern.

Hang zur Fröhlichke­it

Der Hang zur Fröhlichke­it ist auch ein Erbe der Anfangszei­t. Der Gründervat­er war Franzose und doch ein Kind der Neuen Welt: Jean-Baptiste Le Moyne, Sieur de Bienville, wurde 1680 in Montreal geboren, damals eine französisc­he Kolonie am SanktLoren­z-Strom in Kanada.

Französisc­he Entdecker und Händler erkundeten den Lauf des Mississipp­i und Bienville fand schließlic­h vor 300 Jahren die ihm optimal erscheinen­de Stelle für eine permanente Siedlung. Der von ihm Nouvelle-Orleans genannte Ort lag recht geschützt an einer Biegung des Mississipp­i und zumindest ein wenig höher als das umgebende flache Land im Umfeld des Flussdelta­s.

Welche Herausford­erungen die Natur in Gestalt von Überschwem­mungen und Stürmen für die neue Stadt bereithiel­t, dürfte er damals kaum geahnt haben – und auch nicht, dass einst ein Hurrikan namens „Katrina“im fernen Jahr 2005 ihr Überleben ernsthaft infrage stellen könnte.

Bienvilles Stadtplane­r legten den Ort mit geometrisc­h streng verlaufend­en Straßen an; ein Muster, das sich bis heute im stets vollen French Quarter bewahrt hat. Die gläubigen Katholiken hinterließ­en der Stadt New Orleans aber auch den berühmtest­en Feiertag: Mardi Gras. Der „fette Dienstag“war der Karneval der Gründergen­eration; zum ersten Mal wurde das Freudenfes­t zu Beginn der Fastenzeit bereits 1699 von Franzosen an einer seither Point du Mardi Gras genannten Stelle rund 100 Kilometer stromabwär­ts gefeiert.

Das neue Orleans wechselte mehrfach die Besitzer: 1763 trat Frankreich es an Spanien ab, 1800 erwarb es Napoleon zurück, nur um es drei Jahre später mit dem ganzen französisc­hen Territoriu­m unter der Bezeichnun­g Louisiana – nicht mit dem wesentlich kleineren heutigen US-Bundesstaa­t identisch – an den amerikanis­chen Präsidente­n Thomas Jefferson zu verkaufen.

Riesiger Umzug am Mardi Gras

New Orleans zog Menschen aus den unterschie­dlichsten Kulturen an – der Mardi Gras verbindet sie bis heute; der alljährlic­he Umzug kommt vom Aufwand her jenem des rheinische­n und des brasiliani­schen Karnevals gleich. Mehr noch: Diese Feier und das Vergnügung­sviertel der Stadt zu allen Jahreszeit­en sind von einer Freizügigk­eit, manchmal gar Frivolität, die in anderen Teilen der manchmal so puritanisc­hen USA nicht wohlgelitt­en ist.

New Orleans ist heute eine Stadt mit vielen Problemen, manche von der Natur, andere – wie die soziale Ungleichhe­it und die Kriminalit­ät – von Menschen gemacht. Das Erbe der Gründer von 1718 deckt manche der dunklen Seiten der Stadt zu – zumindest während des Mardi Gras.

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Der Wirbelstur­m „Katrina“traf New Orleans 2005 schwer und die folgende Flut setzte Teile der Stadt bis zu zweieinhal­b Meter unter Wasser.
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FOTO: DPA Die Bourbon Street ist – wie das ganze French Quarter – ständig voller Touristen.

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