Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Druck auf einen Tarifabschluss wächst
Hunderte Mitarbeiter streiken vor dem Liebherr-Werk Ehingen – Umsatzverlust von 30 Millionen Euro
EHINGEN - Mit dem ersten 24-Stunden-Warnstreik seit 16 Jahren haben die Beschäftigten des LiebherrWerks-Ehingen zusammen mit der IG Metall den Druck auf einen baldigen Tarifabschluss erhöht. Am frühen Freitagmorgen besetzten die Mitarbeiter die Werkstore und Eingänge – gearbeitet wurde nicht. Laut Liebherr-Geschäftsführer Hubert Hummel haben die aktuellen Tarifauseinandersetzungen dem Unternehmen bereits rund 30 Millionen Euro Umsatzverlust eingehandelt.
„Heute wird keine Schraube reingedreht“, machte Liebherr-Betriebsrat Norbert Betz vor dem Tor eins des Ehinger Werks klar. Zwar seien ein paar Mitarbeiter im sogenannten Notdienst, wirklich gearbeitet wurde am Freitag beim Ehinger Weltmarktführer aber nicht. „Notwendige Arbeiten, wie die Lastwagen-Abfertigung, haben wir gemacht. Zudem ist ein Kunde aus Brasilien da, der eine Kran-Einweisung bekommt. Den haben wir natürlich nicht wieder nach Hause geschickt“, sagte Betz, der in Vertretung des sich in Reha befindlichen Betriebsratsvorsitzenden Rolf Ebe zu den Mitarbeitern sprach. Zwischen 8.30 und 10 Uhr konnten sich am Freitag die Gewerkschaftsmitglieder registrieren, damit sie auch ihr Streikgeld bekommen.
Mit dabei bei der Kundgebung in Ehingen waren auch Mitarbeiter der Firma Neuweg aus Munderkingen (die Mitarbeiter dort machten zwei Stunden früher Feierabend), eine Abordnung von Rampf-Formen aus Allmendingen sowie aus Solidarität Gewerkschaftsmitglieder aus dem Allgäu, beispielsweise von der Firma Fendt sowie weitere Mitarbeiter von diversen Liebherr-Tochtergesellschaften der Region.
Gerade für die Mitarbeiter der Allmendinger Firma Rampf sei es wichtig, in der aktuellen Tarifauseinandersetzung Flagge zu zeigen, wie Betriebsratsvorsitzender Franz Hirschle betonte. „Wir sind mit unserem Haustarifvertrag nicht tarifgebunden. Doch beim Entgelt gelten für uns auch die Abschlüsse“, erklärte Hirschle im Namen der rund 225 Rampf-Mitarbeiter. 45 von ihnen sind am Freitag nach Ehingen gekommen. „Dieses Jahr gilt noch unser Haustarifvertrag, dann müssen wir wieder verhandeln“, sagte Hirschle.
Michael Braun, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall in Ulm, war mit seinen Mannen seit 4 Uhr am Ehinger Werk. „Alle Eingänge haben wir besetzt. Einige Angestellte wollten auch arbeiten, viele davon haben wir dann überzeugt, einen freien Tag zu nehmen“, betonte Braun unter dem Beifall der Streikenden und erklärte: „Die Warnstreiks der vergangenen drei Tage, an denen sich 67 Betriebe in ganz Baden-Württemberg beteiligt haben, geben uns Rückenwind für die Verhandlungen. Die Forderung nach sechs Prozent mehr Entgelt ist klar. Der Vorwurf, wir würden nur noch 28 Stunden in der Woche arbeiten wollen, ist ein fieses Gerücht. Denn es geht nur darum, dass Mitarbeiter die Möglichkeit haben, aus Betreuungsgründen eine Zeit lang auf 28 Stunden zu verkürzen.“
„Verrückte Welt“
Dass die aktuellen Verhandlungen gescheitert sind, liege laut Braun nicht an der Gewerkschaft. „Wir hätten ein Ergebnis herstellen können“, sagte Braun, der zudem von einer „verrückten Welt“sprach. „Daimler spricht von Gewinnen von 14 Prozent, und bei den Aktionären sind es 23 Prozent. Liebherr hat aktuell einen 42-Millionen-Euro-Auftrag aus Russland an Land gezogen und vermeldet für das Jahr 2017 einen Rekordumsatz. Und wir wollen nur sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt. Dass diese Umsätze erzielt werden, liegt an euch. Ihr macht das alles erst möglich“, so Braun.
Laut Hubert Hummel, Geschäftsführer des Liebherr-Werks Ehingen, haben die Arbeitsniederlegungen bereits enorme Folgen, wie er auf Nachfrage erklärt: „Unsere Mitarbeiter machen eine gute Arbeit und sollen dafür angemessen entlohnt werden. Die Bewertung der Forderung nach sechs Prozent Entgelterhöhung, auch im Vergleich zu den Verdiensten in anderen Bereichen unserer Gesellschaft wie Pflege, Soziales und Dienstleistung, möge jeder selbst vornehmen. Fakt ist, dass die bisherigen Aktionen unser Unternehmen bis heute zirka 30 Millionen Euro an Umsatz gekostet haben.“
Am Montag sollen die Gespräche in Sachen Tarifabschluss wieder aufgenommen werden.