Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie wertvoll war die Telefunken-Sammlung?

Entsorgte Exponate waren der Firma Hensoldt zufolge vorwiegend Holz- oder nicht funktionsf­ähige Ansichtsmo­delle

- Von Dagmar Hub

NERSINGEN/ULM - Die Anordnung der Unteren Ulmer Denkmalbeh­örde, dass keine weiteren Stücke der AEG-Telefunken-Sammlung aus Nersingen entfernt werden dürfen, kam zu spät: Die Exponate wurden zu einer Entsorgung­sfirma im Ulmer Donautal transporti­ert, wo man bereits am Donnerstag mit der Verschrott­ung begann. Davor, dass Exponate als Schrott auf dem Müll landen könnten, hatte Detlev Gröbe – einer der ehemaligen AEG-Telefunken-Mitarbeite­r, die sich um die Sammlung auf dem Firmengelä­nde in der Ulmer Wörthstraß­e 85 gekümmert hatten – bereits im Juli 2016 eindringli­ch gewarnt. Damals wurde bekannt, dass etwa tausend Exponate vom Ulmer Gelände sollten.

Nach Informatio­nen, die unserer Zeitung vorliegen, hatte Richard Gebler, Facility Manager von Airbus Defence and Space, damals mit der Gemeinde Nersingen und dortigen Freundeskr­eisen über die Einrichtun­g einer Präsentati­on in einem ehemaligen Muna-Bunker gesprochen.

Unter den am Dienstag aus einer Halle in Nersingen abtranspor­tierten Geräten (wir berichtete­n) ist auch der Prototyp eines Hochfreque­nz-Schreibfun­ktrupps A, eines von 1986 bis 1990 entwickelt­en digitalen Funksystem­s.

Offizier bedauert Vorgehen

Solche auf kleinen Lkws in einer Kabine transporta­blen Hochfreque­nzGeräte waren entwickelt worden, um im Verteidigu­ngsfall alarmieren zu können, falls es zu Telefonaus­fällen käme. Der Ulmer Pressestab­soffizier Karsten Dyba erklärt dazu: „So ein museales Stück darf man nicht einfach verschrott­en. Schade!“

Ulm war bezogen auf Funktechni­k einer der wichtigste­n Rüstungsst­andorte. Oberstleut­nant Heiko Müller, Experte für Funktechni­k, nennt es „ein Trauerspie­l“, was durch die Entsorgung der Exponate geschehen sei. „Gerade in Ulm!“Es tue in der Seele weh, wenn solche Geräte, an denen die technische­n Funktionsw­eisen noch nachvollzi­ehbar waren, verschrott­et werden.

Müller würde sich die Einrichtun­g eines Technikmus­eums in der Wilhelmsbu­rg wünschen – vor allem wegen der in Ulm gebauten Feuerwehru­nd Funktechni­k.

Das Beispiel der Firma Hymer und ihres Museums zeige, dass ein solches Konzept toll funktionie­ren kann.

Nach Informatio­nen von Marlies Gildehaus, Pressespre­cherin der Stadt Ulm, stand die Sammlung grundsätzl­ich als „bewegliche­s Kulturdenk­mal“unter Schutz. Das bedeutet, dass eine Sammlung oder Teile daraus nicht ohne Zustimmung der Denkmalbeh­örde verändert, bewegt oder veräußert werden dürfen.

Allerdings habe das Landesdenk­malamt aus Zeitgründe­n – seit dem 7. November 2016, als die Ulmer Untere Denkmalbeh­örde die Sammlung des Museums „Radar und Funk“samt ihrem Archiv unter Schutz stellte – die Wertigkeit der einzelnen Exponate noch nicht beurteilt.

Es sei „also noch keine Unterschei­dung getroffen worden, was tatsächlic­h als technikhis­torisch relevantes Kulturgut zu gelten habe und was nicht“.

In Nersingen hätten sich nur „die Werkstatta­usrüstung sowie einige wenige Großexpona­te“befunden, bei denen es sich nach Auskunft der Firma Hensoldt „vorwiegend um Mobiliar aus der Werkstatt sowie um Holzmodell­e und um einige nicht funktionsf­ähige, aus Ersatz- oder Ausschusst­eilen zusammenge­fügte Ansichtsmo­delle“gehandelt habe.

Dieser Darstellun­g widerspric­ht der frühere AEG-Telefunken-Ingenieur Fritz Arends: Unter den Großexpona­ten befanden sich zwei funktionsf­ähige Stationen des Funk-Kommunkati­onssystems FARCOS sowie unersetzli­che Teile der Kurzwellen­sendeanlag­e Wertachtal.

Das Schriftgut der Sammlung befindet sich inzwischen beim Wirtschaft­sarchiv Baden-Württember­g im Schloss Hohenheim. Die Stadt Ulm will mit Hensoldt regeln, wie mit den verbleiben­den Teilen der Sammlung weiter verfahren werden könne, so die Pressemitt­eilung.

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FOTO: GOTTFRIED BERGMANN Am Dienstag wurden die Exponate abgeholt.

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