Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Italiens Parteien übertreffen sich gegenseitig mit Wahlversprechen
Bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag zeichnet sich laut Umfragen keine regierungsfähige Mehrheit ab
ROM - Am 4. März wählt Italien ein neues Parlament. Ob es bei der Wahl ein Bündnis oder eine Partei zu einer regierungsfähigen Mehrheit schafft, ist fraglich. Umfragen sehen das Mitte-Rechts-Bündnis von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und die rechtspopulistische Lega-Partei von Matteo Salvini mit 36 Prozent vorne. Stärkste Einzelpartei ist mit 28 Prozent die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), abgeschlagen dahinter sehen Meinungsforscher die Regierungspartei PD von Ministerpräsident Paolo Gentiloni bei 23 Prozent. Bis Freitag dürfen die Parteien Wahlkampfveranstaltungen abhalten.
Den Vogel schießt Berlusconi ab
Den Vogel in Sachen Wahlkampfversprechen schießt Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi ab. Im Fall des Sieges seiner Partei Forza Italia verspricht der 81-Jährige nicht nur die Reduzierung der Einkommenssteuer auf maximal 23 Prozent, sondern auch kostenlose Arztbesuche bei Tierärzten, steuerfreies Hundefutter, allen Rentnern eine Pension von mindestens 1000 Euro im Monat und dazu auch noch, auf Staatskosten, ein Gratis-Gebiss.
Der chronische Vielversprecher Berlusconi ist nicht allein auf der italienischen Politbühne. Von rechts bis links versprechen Italiens Parteien ihren Wählern das Blaue vom Himmel. Die Sozialdemokraten von Matteo Renzi etwa stellen ein hohes Kindergeld in Aussicht und dazu kräftige Steuererleichterungen für Unternehmer. Die populistische und in ihrer politischen Ausrichtung nur schwer zu definierende M5S mit Spitzenkandidat Luigi Di Maio will im Fall eines Sieges auf einen Schlag 400 Gesetze streichen. Welche, das sollen die Italiener in den ersten Monaten nach den Wahlen in einer Online-Befragung selbst entscheiden.
Alle diese Wahlkampfversprechungen stehen auf mehr als nur tönernen Füßen. „Es reicht, einen Blick auf den aktuellen und katastrophalen Zustand unserer Staatsfinanzen zu werfen“, erklärt Giuseppe De Rita, Präsident des römischen Sozialforschungsinstituts Censis, „um ganz schnell zu begreifen, dass diese Versprechen nichts anderes als reiner Blödsinn und Augenwischerei sind.“Mit einer Staatsverschuldung in Höhe von 135 Prozent im Verhältnis zum Inlandsprodukt, so De Rita, „kann man nicht viel ausgeben“.
Allein die Wahlkampfversprechen von Berlusconi würden, auf eine fünfjährige Legislaturperiode verteilt, zirka 131 Milliarden Euro kosten. Bei anderen Parteien, wie etwa den Sozialdemokraten, fallen diese Kosten niedriger aus. In ihrem Fall würden die Versprechen etwa 40 Milliarden Euro kosten.
Gleichzeitig versprechen alle Parteien, dass sie die Staatsschulden und Arbeitslosenzahlen senken, die Produktivität und die Zahl der Arbeitsplätze vor allem für junge Menschen erhöhen wollen. Wie diese „Wunder der Ausgabenrechnungen“, so die Wirtschaftszeitung „Il sole 24 ore“, realisiert werden sollen, wird nicht erklärt. Es sei „skandalös und eines EU-Staates unwürdig“, schrieb Eugenio Scalfari, Gründer der Tageszeitung „la Repubblica“, „was hier alles versprochen wird, obwohl doch alle wissen, wie unrealistisch das ist“.
Die M5S sucht bei ihren teuren Wahlkampfversprechen, deren Realisierung rund 60 Milliarden Euro kosten würden, den direkten Konflikt mit der EU. Hatte diese Partei bis noch vor wenigen Monaten ganz offen erklärt, im Fall ihres Wahlsieges eine Volksbefragung zum Verbleib im Euro zu organisieren, will sie das jetzt nicht mehr. Doch wenn „die da in Brüssel“, so M5S-Spitzenkandidat Luigi Di Maio, „uns nicht ganz entschieden entgegen kommen, dann steigen wir aus der EU aus“. Damit droht auch die ausländerfeindliche und rechte Partei Lega von Matteo Salvini. Auch sie bringt immer wieder einen „Italoexit“, das Ende der Mitgliedschaft in der EU, ins Spiel.
Unabhängig von der finanziellen Realitätsferne der Wahlkampfversprechen droht Italien nach dem 4. März die vorläufige Unregierbarkeit, da keine der großen Parteien so viele Stimmen auf sich vereinen kann, um allein regieren zu können. Das trotz langer Debatten und zahlreicher Reformversuche immer noch aktuelle Wahlgesetz verhindert die Schaffung klarer Mehrheiten.
So ist nicht ausgeschlossen, dass Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella im Fall keiner Regierungsbildung aufgrund eines klaren Wahlergebnisses den noch amtierenden Sozialdemokraten Paolo Gentiloni mit der Bildung einer sogenannten „Regierung des Präsidenten“beauftragen wird. Sie könnte so lange regieren, bis ein eindeutiges Wahlgesetz verabschiedet wird. Dann könnte es Neuwahlen geben.
„All diese Versprechen sind nichts anderes als reiner Blödsinn und Augenwischerei.“Giuseppe De Rita, Präsident des römischen Sozialforschungsinstituts Censis