Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vor 50 Jahren zum „Traumjob“
Dr. Wilfried Steuer erinnert an seine Wahl zum Saulgauer Landrat
BAD SAULGAU - Dr. Wilfried Steuer erinnert an seine Wahl zum Saulgauer Landrat.
EMERFELD/BAD SAULGAU - Auf den 29. Februar 1968 legte der damalige Saulgauer Landrat Karl Anton Maier die Wahl seines Nachfolgers. Als sparsamer Schwabe meinte er, dann sei nur alle vier Jahre Feiern angesagt. Dr. Wilfried Steuer freilich hindert das nicht daran, auch ohne Schaltjahr an diesen denkwürdigen Tag vor 50 Jahren zu erinnern. Denn: Zu aller Überraschung gelang es ihm damals als „Benjamin“unter den vier Kandidaten, auf Anhieb die absolute Mehrheit zu erringen. 19 von 33 Kreisräten stimmten für ihn. Seine Mit-Kandidaten von der CDU konnten lediglich zwei, beziehungsweise eine Stimme auf sich vereinen. Auch der parteilose Oberrechtsrat Dr. Kurt Gerhardt war mit elf Stimmen keine Gefährdung für seinen Wahlsieg. Ursprünglich hatten sich elf Männer auf den Posten beworben. Miterlebt hat der 34-Jährige diesen Triumph nicht, denn Maier hatte bestimmt, die Vorstellung der vier Bewerber von der Wahl zu trennen.
Der Erfolg des Volljuristen und promovierten Landwirts kam nicht von ungefähr. Das Landratsamt und Landrat Karl Anton Maier seien ihm schon als Schüler, Praktikant und Student von Bachhaupten her „bestens bekannt“gewesen, berichtet er, vor allem vom legendären Stammtisch im „Drei König“. Dort habe er mehr als in mancher Vorlesung an den Universitäten gelernt.
Verblüfft hat der junge Mann bei seinem Start in die Landesverwaltung mit seinem Wunsch, als Assessor ins Landratsamt nach Saulgau zu wollen. Freiwillig habe dies noch niemand getan, wurde ihm beschieden, erwarteten ihn doch ein „altes Landratsamt“und ein Landrat, der „kein Gewöhnlicher“sei. Nur zwei Monate dauerte die Tätigkeit, in die auch die Ausrichtung des 70. Geburtstages von Ernst Jünger fiel. Die Anekdote, dass er vor lauter Freude darüber, dass alles gut geklappt hat, der Bürgerwache Mittelbiberach ein Freibier spendiert hat und ihm das eine Rüge von Karl Anton Maier einbrachte, erzählte Steuer noch beim 100. Geburtstag des Dichters. „Freibier gibt der Landrat aus und nicht der Assessor.“
Nachdem Maier zum Vorstandsvorsitzenden der Energie-Versorgung Schwaben gewählt worden war, wurde der Landratsposten in Saulgau frei. „Und ich hatte Interesse daran“, betont Steuer. Eine Chance, sich dafür in Position zu bringen, habe die Sturmholzkatastrophe 1967 geboten. Dank seines Freundes Gerhard Mayer-Vorfelder, damals persönlicher Referent von Ministerpräsident Hans Filbinger, gelang es ihm, diesen und seinen Chef, Landwirtschaftsminister Eugen Leibfried, dessen Referent er inzwischen war, statt nach Südbaden nach Saulgau zu bugsieren, wo es „auch große Schäden“gegeben habe und vor allem mehr CDU-Wähler. Dass er während der Veranstaltung im städtischen Festsaal von Saulgau alle zehn Minuten mit einem Zettel beim Ministerpräsidenten vorstellig wurde und der jedes Mal bedeutsam nickte, hat wohl imponiert, auch wenn auf dem letzten lediglich „Wir haben Hunger und Durst“gestanden hatte.
Unterstützung erfuhr Steuer von Minister Leibfried bei der Grünen Woche in Berlin im Januar 1968. Viele Bauern aus Saulgau waren dort, die großzügig mit Speis und Trank versorgt wurden und dies dem Einfluss Steuers zuschrieben, was ihm wohl zugute kam, gehörten doch 13 der 33 Kreisräte diesem Berufsstand an.
Guter Eindruck auf die Frauen
Selbstverständlich war auch die persönliche Vorstellung bei den Kreisräten angesagt. Bei zunächst elf Interessenten herrschte naturgemäß ein großer Andrang. „Man musste vor allem auf fremde Autokennzeichen vor dem Haus achten, um nicht einem Konkurrenten über den Weg zu laufen“, vermerkt Steuer. Sein guter Eindruck auf die Frauen der Kreisräte brachte ihm auch Stimmen ein, wenn er sie zum Beispiel als erste begrüßte oder die Schuhe säuberte, bevor er ins Haus eintrat. Mit Otto Bacher aus Mengen und Franz Zimmermann aus Eichen leben noch zwei der damaligen Kreisräte hochbetagt. „Ich hoffe, dass ihr mich gewählt habt“, sagte er zu den beiden, als er vor zehn Jahren das 40-Jährige im „Drei König“in Bad Saulgau feierte und fügte versöhnlich hinzu: „Und wenn nicht, dann ist es verjährt“.
Seinen „Traumjob“des Saulgauer Landrates konnte Dr. Wilfried Steuer der Kreisreform wegen nur bis Silvester 1972 ausüben. Saulgau ging an den Landkreis Sigmaringen, Riedlingen und sein Umland zog es in den Landkreis Biberach.
Alte Oberamtei erhalten
Stolz ist Steuer, der von 1973 bis 1991 Landrat des Kreises Biberach war und danach ebenfalls als Vorstandsvorsitzender zur Energie-Versorgung Oberschwaben wechselte, dass es ihm gelungen ist, die alte Oberamtei – ein einstiges Franziskanerinnenkloster – in Bad Saulgau zu erhalten. Heute dient das Landratsamt von damals der Stadt als Rathaus. Und er freut sich, dass Bürgermeisterin Doris Schröter nach dem Umbau des Hauses der bronzenen Eingangstür einen Platz im Inneren reserviert hat. In sechs Symbolen – geschaffen von dem Ravensburger Bildhauer Josef Henger – wird der Altkreis Saulgau charakterisiert: Der Bussen steht für Frömmigkeit, die melkende Bäuerin für die Landwirtschaft, Schüler für die Bildung, Badende für Erholung, zwei Gießer für die Wirtschaft und schließlich der Riedlinger Gole und die Saulgauer Stadthexe als „Ausdruck lebendigen und heimatlichen Brauchtums und der guten Harmonie zwischen den beiden größten Städten des Kreises“, wie Steuer in dem 1971 erschienenen Buch „Der Kreis Saulgau“schrieb. Auch der Erhalt des Katzentürmles als Teil der Stadtmauer freut ihn.
Noch heute ist er von der guten Gepflogenheit monatlicher Sprechstunden im Landratsamt überzeugt und unterstreicht, dass hier bis in die Abendstunden nicht nur er als Landrat, sondern auch alle Abteilungen im Haus besetzt waren.
„Gläubig aufwärts, mutig vorwärts, dankbar rückwärts“ist das Lebensmotto von Wilfried Steuer, dem letzten Landrat des Kreises Saulgau, als der er immer noch zum Bächtlesfest nach Bad Saulgau eingeladen wird. Und wenn er dann auch noch als „Herr Landrat“gegrüßt wird, wird’s dem 84-Jährigen warm ums Herz.
„Freibier gibt der Landrat aus und nicht der Assessor.“Karl Anton Maier