Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Auf Diebestour in Laupheim
Biberacher Amtsgericht verurteilt Ehepaar zu Geldstrafen in Höhe von einem und zwei Monatsgehältern
LAUPHEIM/BIBERACH - Der Kaufhausdetektiv eines großen Laupheimer Supermarktes wurde aufmerksam, als er ein Trio beobachtete, welches sich sehr lange vor einem Kosmetikregal aufhielt. Zahlreiche Eyeliner und Kosmetikpinsel wurden in eine Tüte verpackt und mit anderer Ware im Einkaufswagen verdeckt. Beim Zugriff nach der Kasse entwickelte sich eine handgreifliche Rangelei. Die Durchsuchung des Autos des Verdächtigen brachten weitere Produkte eines anderen Supermarktes zutage. Das Amtsgericht Biberach verhandelte nun die Frage, ob es sich um räuberischen Diebstahl handelte.
Ein Schöffengericht wird im Amtsgericht dann einberufen, wenn eine Haftstrafe von einem Jahr und mehr zu erwarten ist. Bei der Anklage auf räuberischen Diebstahl wird davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit Gewalt sein Diebesgut in Sicherheit bringen wollte. Dies führt zu höheren Strafen.
In Laupheim waren drei Personen nach dem Ladendiebstahl auf das Polizeirevier gebracht worden. Dem Mann, der sich bei der Festnahme durch den Ladendetektiv befreien wollte, wurde räuberischer Diebstahl zur Last gelegt. Seine Ehefrau war des gemeinschaftlichen Diebstahls angeklagt. Das Verfahren gegen die dritte Person wurde abgetrennt. Alle drei Personen stammen aus der ehemaligen Sowjetunion, leben allerdings schon seit Jahren in Deutschland und sind berufstätig. Zum Tathergang und zur eigenen Person machten die beiden Beklagten keine Aussagen, beide wurden durch eine Dolmetscherin unterstützt.
Schwierige Beweisaufnahme
Die Beweisaufnahme gestaltete sich schwierig. Zwei geladene Zeugen waren nicht erschienen, eine Zeugin konnte sich nach über einem Jahr nicht mehr an den konkreten Fall erinnern. Sie erläuterte, dass im besagten Supermarkt wöchentlich 20 bis 25 ähnliche Delikte erfasst würden, gleichzeitig müsste ein hohes Aggressionspotenzial beklagt werden. Da würden Mitarbeiterinnen bedroht und auch mal ein Fahrzeug zerkratzt. Sie konnte keine konkrete Aussage zum verhandelten Fall machen.
Ein Polizeibeamter, der als Zeuge geladen war, sorgte für mehr Klarheit. Er schilderte die Verhaftung und die anschließende Durchsuchung des Pkw des Angeklagten. Die gestohlene Ware aus dem Supermarkt, vor allem Kosmetika und Bekleidungsstücke, hatte einen Wert von 129 Euro. Die Waren aus dem Kofferraum waren einem anderen Supermarkt zuzuordnen. Allerdings konnte dort nicht sicher bewiesen werden, dass sämtliche gefundenen Waren gestohlen waren. Die Zeugenaussage des Supermarktdetektives sprach lediglich davon, dass der beklagte Mann versucht habe, sich loszureißen. Eine direkte Gewaltanwendung gegenüber seiner Person wurde verneint.
Der Prozess wurde von 28 Schülern der Klasse 8 der Bischof-SprollSchule in Biberach verfolgt. Im Rahmen der Schulveranstaltung „Vernetztes Lernen“wird dort das Thema Umsetzung von Menschenrechten behandelt. Neben der Wissensvermittlung über die historische Entwicklung der Rechtsysteme vom Absolutismus hin zur Gewaltensteilung besuchten die Schüler diese Amtsgerichtsverhandlung. Richter Bürglen und Staatsanwältin Prasse erläuterten die Abläufe und stellten sich den Fragen der Schüler.
Kein räuberischer Diebstahl
Im vollbesetzten Verhandlungssaal wurde der Richterspruch mit spürbarer Spannung erwartet. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich geeinigt, dass der mutmaßliche weitere Diebstahl im Vorfeld nicht Gegenstand des Verfahrens mehr sein soll, da sich die Ermittlungen zum Diebesgut als schwierig abzeichneten. Ebenfalls wurde auf die Bewertung als räuberischer Diebstahl verzichtet, da die Aussage des direkt betroffenen Supermarktdetektives dies nicht untermauerte. Allerdings siedelte die Staatsanwältin die körperliche Auseinandersetzung im Grenzbereich zur körperlichen Gewalt an. Die Angeklagten machten keinen Gebrauch von ihrem Recht auf das letzte Wort: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, so die Einlassung des Angeklagten.
Richter Bürglen verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von zwei Monatsgehältern. Strafverschärfend war, dass der Mann im Jahr 2015 bereits einen Strafbefehl wegen Diebstahls erhalten hatte. Die mitangeklagte Frau erhielt eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehaltes. Beide Angeklagte, die sichtlich beschämt auf der Anklagebank saßen, nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an.