Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Im Herzen Freestyle: über Buckelpisten und Schanzen
Vorarlberger bereiten sich auf Moguls-Europacup im Skigebiet Bödele vor – Deutsch-österreichisches Projekt fördert Nachwuchs
DORNBIRN-BÖDELE - Johann Krojer steht knapp unterhalb der letzten Buckel und blickt den steilen, schneebedeckten Hang hinauf. Wie kleine runde Eisblöcke ragen sie aus der rund 30 Grad steilen Piste heraus, die auf knapp 1300 Meter Höhe liegt. Von dieser Position aus kann er den Start für die Europacup-Läufe im Moguls, die am kommenden Wochenende stattfinden, nicht einsehen – eine harte Aufgabe wartet auf die Freestyle-Skifahrer hier im Skigebiet Bödele, im österreichischen Vorarlberg.
„Wir werden den Block für die Ringrichter hier höher mit Schnee aufschütten müssen, als wir zunächst dachten“, sagt Krojer einige Meter weiter neben dem künftigen Zieleinlauf. „Damit die überhaupt bis ganz nach oben sehen können.“Knapp 200 Meter den Hang hinauf werden die Fahrer in die Buckelpiste mit zwei Schanzen starten. „So eine steile Strecke schafft ein normaler Skifahrer nicht mehr. Hier geht das Europacupniveau los.“Auch Weltcup könnte auf einer solchen Piste gefahren werden. Allerdings wäre dazu eine sogenannte Beschneiungsmaschine notwendig – das schreibe die FIS vor. Krojer: „Die haben wir aber nicht, das hier ist ein reines Naturschneegebiet.“
Krojer unterrichtet seit 16 Jahren im nahegelegenen Dornbirn am Sportgymnasium Akrobatik. Seit 40 Jahren ist er Freestyle-Skifahrer und unterrichtet den Sport genauso lange. „Seit ich den Sport angefangen habe, trainiere ich auch andere“, erzählt er. Der Niederösterreicher ist selbst Weltcup gefahren und war in den Neunziger Jahren Nationaltrainer – auch bei Olympia. Deswegen verwundert es auch nicht, dass der 62Jährige vom Vorarlberger Skiverband zuständig für den Freestyle-Skilauf ist.
Der Niederösterreicher trägt einen großen Teil selbst dazu bei, dass Freestyle – Aerials (Figurenspringen auf einer großen Schanze), Moguls (Buckelpiste mit Schanzensprüngen), Halfpipe, Big Air (Schanze) und Slopestyle (eine Art Skatepark) – am Leben bleibt. Er selbst investiert viel Zeit in die Piste und das Training, hat außerdem ein länderübergreifendes Projekt gestartet. Und das hat mehrere Gründe. „Den Europacup mache ich nur aus dem Grund, damit unsere Nachwuchsfahrer in der Öffentlichkeit präsentiert werden können.“
Und um den überhaupt zu fördern, startet der passionierte Wintersportler ein Projekt mit Deutschland. Genauer: mit dem Allgäu. Euregio nennt sich das Vorhaben von Krojer und dem Förderverein für Freestyle-Skilauf und seinem allgäuer Kollegen Werner Weber. Weil es die Förderungen der Verbände nicht gibt, wollen Vorarlberger und Allgäuer gemeinsam trainieren, das Wissen der Trainer nutzen, Wettkämpfe und Trainingslager gemeinsam bestreiten und mehr Möglichkeiten zur Nachwuchsförderung bieten. Das Ziel des Projekts ist es, Talente für alle großen Rennen hervorzubringen. Die Zielgruppe ist zwischen acht und 19 Jahren alt. Euregio läuft seit Dezember vergangenen Jahres.
Die Jugendarbeit ist vor allem aus einem ganz bestimmten Grund wichtig: „Die Verbände unterstützen diese Disziplinen nicht. Erst ab Weltmeisterschaften oder bei olympischen Spielen“, so der 62-Jährige. „Erst ab da werden Kosten übernommen“, fügt er an. Krojer meint damit den österreichischen, aber auch den deutschen Skiverband. „Entscheidend wäre aber doch, dass man die Leute dort hinbringt“, kritisiert er. Bei anderen Nationen laufe das anders. „Nur bei unseren nicht“, sagt er auch mit Blick über die Grenze. „Das verstehe ich nicht.“
Sport mit hohem Sturzpotenzial
Der Fokus liegt aktuell aber vor allem auf der Piste für den Europacup. Der gefährliche Sport fordert auch beim Bau der Strecke Vorüberlegungen. „Die Landehügel werden sogar noch steiler, um den Aufprall bei Stürzen zu verringern. Außerdem wird der Boden aufgestochen“, erklärt er. Die sogenannten Landehügel sind die Strecken nach den Schanzensprüngen, die eben sind – ohne Buckel. Durch das Aufstechen des Bodens wird der Untergrund weicher. „Das macht aber bei der Landung nichts aus“, so der 62-jährige Sportgymnasiallehrer.
Am Freitag und Samstag, 9. und 10. März, stürzen sich rund 70 Starter in den steilen Hang, rasen über die Buckel und schlagen Salti über die Schanzen aus Schnee. „Wir rechnen mit mehr als 50 Männern und an die 20 Damen“, so der Freestyle-Veteran. Noch nicht ganz sicher seien die teilnehmenden Nationen, allerdings gebe es bereits eine Tendenz. „Es werden sehr viele sein. Unter anderem werden Russen, Kasachen, Spanier, Franzosen, Skandinavier mitfahren“, so der 62-Jährige. Natürlich auch Deutsche und Österreicher.
Von der Jugend bis zu Erwachsenen ist das Teilnehmerfeld vielfältig. „Es werden vier Österreicher fahren, zwei davon sind von mir.“Von ihm, das bedeutet, dass sie seine Schüler am Gymnasium sind – beide sind 17 Jahre alt, ein Junge und ein Mädchen. „Eigentlich wäre noch eine weitere dabei gewesen. Sie hat sich aber leider verletzt.“Das Gymnasium fördere den Freestyle-Sport. „Das geht alles ohne Probleme. Für Wettkämpfe werden wir freigestellt“, so der Lehrer. Auch die Liftbetreiber des Skigebietes nahe der deutsch-österreichischen Grenze unterstützen die Sportler und den Sport, helfen beispielsweise beim Pistenbau.
Und dass Freestyler zusammenarbeiten und -halten, zeigt sich auch beim Bau der Europacup-Strecke. Sobald das Pistengerät genug Schnee auf die Strecke geschoben hat, packen sie an: Ehemalige und Aktive, „alles Fachleute“, nennt es Krojer. Mit Schaufeln und Skiern geht es in den Hang. „Die fahren dann mit quergestellten Skiern nach unten, um die Piste einzufahren“, erklärt Krojer. Rund eine Woche dauert es, bis sie wettkampftauglich ist. Bereits seit vergangener Woche sind sie dran. Und Schnelligkeit zahlt sich aus. „Am Donnerstag ist das erste offizielle Training.“„Unsere fahren aber hoffentlich schon vorher. Das ist dann der Heimvorteil“, sagt er und lacht.
„Die Verbände unterstützen diese Disziplinen nicht.“Johann Krojer kritisiert, dass Freestyle zu stiefmütterlich behandelt wird.