Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Allein unter Frauen
Grundschullehrer Stefan Hochdorfer spricht über den Männermangel in seinem Traumberuf
UNTERALLGÄU/HEIMERTINGEN Stefan Hochdorfer gehört zu einer seltenen Spezies. Denn der 53-Jährige ist einer von gerade einmal 25 Grundschullehrern im Unterallgäu. Nach Angaben des Staatlichen Schulamts unterrichten dagegen 319 Lehrerinnen an den Grundschulen im Landkreis Unterallgäu. In Memmingen sieht es nicht viel anders aus: Auf 103 weibliche kommen 13 männliche Lehrkräfte. Doch woran liegt es, dass Grundschullehrer wie Hochdorfer quasi allein unter Frauen sind?
Der stellvertretende Schulleiter der Grundschule Heimertingen nennt dafür spontan zwei Gründe. „Das liegt wahrscheinlich immer noch ein bisschen an dem alten Rollenklischee, dass Frauen für die Erziehung der Kinder zuständig sind“, sagt Hochdorfer. Zudem sei das Grundschullehramt im Vergleich zu einer höheren Schulart finanziell nicht ganz so attraktiv.
„Die Aufstiegschancen sind geringer“, erklärt der 53-Jährige. Wobei sich das ein wenig geändert habe. Vor einiger Zeit noch begann ein Grundschullehrer seine Laufbahn mit der Besoldungsgruppe A 12 und ging damit auch in Pension. Mit der Einführung des sogenannten funktionslosen Beförderungsamts können aber mittlerweile auch Grundschullehrer für eine überdurchschnittliche Leistung höher besoldet werden. Hochdorfer zum Beispiel ist zusätzlich als Sportfachberater tätig. Von ihnen gibt es im Unterallgäu nur vier. Er ist etwa für die Wettkampforganisation im Schulsport zuständig.
Vor allem Spaß
Dabei bietet der Beruf ihm zufolge Vorteile für Frauen und Männer. Für Frauen sei das Grundschullehramt auch wegen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf attraktiv, sagt Hochdorfer. „Die Teilzeitmöglichkeiten sind gut.“Auch seine Frau, die ebenfalls Grundschullehrerin ist, profitiere davon. Männer würden sich hingegen etwas leichter mit einer Beförderung zum Konrektor und Rektor tun, „da sie nicht schwanger werden können“– also nicht durch eine Babypause für längere Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden.
Doch allein des Geldes wegen hat Hochdorfer diesen Berufszweig nicht gewählt. Dass er vor allem Spaß an der Arbeit mit Kindern hat, habe er bereits in jungen Jahren festgestellt. So hatte er als Leichtathletik-Übungsleiter schon Erfahrungen im Umgang mit Mädchen und Buben im Grundschulalter gesammelt. „Da ich unbedingt Sport studieren wollte, war es naheliegend, dass ich das auf Lehramt mache. Denn so viele andere Möglichkeiten gibt es da gar nicht.“Und auch schon damals, vor mehr als 30 Jahren, sei das Interesse am Grundschullehramt bei den Männern nicht besonders stark ausgeprägt gewesen. „Doch ich konnte für mich persönlich keine negativen Aspekte finden“, erinnert sich Hochdorfer. Schließlich bekam er im Jahr 1995 seine erste eigene Klasse zugeteilt – zunächst an der Theodor-HeussSchule in Memmingen, später wechselte er dann an die Grundschule Heimertingen.
In all den Jahren hat Hochdorfer festgestellt, dass man als männlicher Grundschullehrer in manchen Fällen „noch mehr als Respektsperson“betrachtet wird als eine weibliche Lehrkraft – sowohl von den Kindern als auch von den Eltern. „Gerade im Umgang mit ausländischen Schülern hat man als Mann oft einen besseren Stand.“Da seien bisweilen die Hierarchien in den Familien einfach anders.
Einen generellen Unterschied, wie Frauen und Männer ihren Unterricht gestalten, kann der 53-Jährige dagegen nicht erkennen. Das müsse jeder für sich selbst herausfinden. „Mir ist es wichtig, über die emotionale Schiene für ein positives Lernklima zu sorgen. Die Kinder sollen einfach gerne zu mir in die Klasse kommen.“
Dass er in seinem Beruf nur von Frauen umgeben ist, findet Hochdorfer keineswegs negativ. Im Gegenteil: „Als Hahn im Korb wird man schon mal ein bisschen mehr umsorgt.“Dafür hilft er auch im Sportunterricht seinen Kolleginnen immer mal wieder beim Auf- und Abbau der Geräte oder beim Schleppen der Weichbodenmatte. Bei den Gesprächen untereinander gehe es in erster Linie um die Schule selbst. „Ich kann mit ihnen aber auch über Fußball reden“, räumt er ein typisches Klischee aus der Welt.
„Kompliment für mich“
Mittlerweile ist für Hochdorfer der Beruf des Grundschullehrers so etwas wie ein Traumberuf geworden. „Besonders dann, wenn ich merke, dass ich Schüler für ihre weitere Laufbahn positiv beeinflussen kann“, sagt der 53-Jährige. Wie viel er manch einem von ihnen bedeutet, wurde ihm vor rund drei Jahren deutlich, als ein ehemaliger Schüler plötzlich an seiner Haustür klingelte. „Er hatte sein Abitur mit 1,0 bestanden und mich zur Abschlussfeier eingeladen. Das war ein Riesenkompliment für mich.“