Schwäbische Zeitung (Laupheim)
AOK dringt auf Klinikzentralisierung
Kasse fordert größere Krankenhäuser und einen höheren Grad an Spezialisierung
BERLIN (dpa) - Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) dringen auf eine stärkere Bündelung des Krankenhausangebots. Die Länder machten von Möglichkeiten für neue Strukturen nur zögerlich Gebrauch, sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch am Montag. Bund und Länder sollten ein gemeinsames Ziel für 2025 erarbeiten. Ein deutlicher Schritt wäre es, „wenn zukünftig Kliniken mit mehr als 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel“bildeten. Die Krankenhausbetreiber warnten vor Verunsicherung der Patienten.
BERLIN - In Deutschland gibt es mehr Krankenhäuser als in vielen Nachbarländern. Laut AOK verursacht das nicht nur hohe Kosten, sondern hat Auswirkungen auf die Qualität der Behandlung. Der AOK-Bundesvorstand stellte am Montag in Berlin den Krankenhaus-Report 2018 vor und forderte: Krankenhäuser in Deutschland müssen sich stärker spezialisieren.
Deutschland gehört innerhalb der EU zu den Spitzenreitern bei der stationären Behandlung in Krankenhäusern. „Wir sind das einzige Land innerhalb der EU, in der die Krankenhausfälle gestiegen sind“, sagt Professor Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin. So wurden in Deutschland beispielsweise 68 Prozent mehr Rückenschmerzpatienten stationär versorgt als im EU-Schnitt.
Das liege aber nicht daran, dass die Deutschen häufiger krank werden als ihre europäischen Nachbarn. Vielmehr würde Patienten oft schneller ein Bett im Krankenhaus zugewiesen, als eine ambulante Behandlung verordnet. Zu viele Krankenhausaufenthalte, die nach Ansicht der AOK unnötig Geld kosten.
Einen Grund dafür sieht die AOK in zu vielen und zu kleinen Kliniken. Denn wer leere Betten im Haus hat, der versucht auch eher diese zu belegen – auch bei Krankheiten, die ambulant behandelt werden könnten. Neben den hohen Kosten weist der Krankenhaus-Report auch noch auf ein weiteres Problem hin: Zu oft würden Patienten in Kliniken aufgenommen, die weder technisch noch personell ausreichend für das jeweilige Krankheitsbild ausgestattet seien. Sprich: Die Qualität der Behandlung hängt stark vom jeweiligen Krankenhaus ab.
Jährlich erkranken beispielsweise rund
60 000 Menschen an Darmkrebs. Die Gefahr, bei einem Rektumkarzinom während der Operation zu sterben, sei in einer Klinik mit weniger als 20 OPs im Jahr um bis zu 65 Prozent höher, als in einer spezialisierten Klinik mit mehr als 200 Operationen.
Nicht jeder muss alles können
Die Lösung aus Sicht der AOK: Zentralisierung und Spezialisierungen von Klinikstandorten. Nicht jede Klinik muss alles operieren können, so das Motto. „Bei komplexen Erkrankungen brauchen Sie eine komplette Mannschaft. In kleinen Häusern ist das einfach nicht darstellbar“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. „Ein deutlicher Schritt wäre es, wenn Krankenhäuser mit mehr als 500 Betten zukünftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Krankenhauslandschaft bilden.” Diese Größe erreichen derzeit nur etwa 20 Prozent der Kliniken. Der Vorstands-Chef der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, fordert mehr Orientierung an bisher gut gelungener Krankenhausplanung im Land. Die Einrichtung von regionalen Schwerpunktkliniken für Schlaganfälle zeige beispielsweise, dass eine Krankenhausplanung möglich ist, die an Qualität ausgerichtet ist. Gleiches wünscht er sich für die Frühchen-Behandlungen.
„Ich halte die Forderungen nach mehr Spezialisierung und höherer Qualitätsorientierung für absolut richtig und notwendig. Allerdings springt jeder zu kurz, der nur Krankenhäuser und Krankenhausbetten zählt“, kommentierte Manfred Lucha (Grüne), Sozialminister in Baden-Württemberg.
Individuelle Lösungen nötig
Es gehe vielmehr darum, eine moderne medizinische Versorgungsstruktur aufzubauen, in der Prävention, ambulante Versorgung, Rettungsdienst, Krankenhäuser, RehaAngebote und Pflege aufeinander abgestimmt zum Wohle der Bevölkerung zusammenarbeiten, so Lucha weiter. „Wer über die Zukunft von Krankenhausstandorten nachdenkt, sollte daher immer die gesamte Versorgungssituation einer Raumschaft in den Blick nehmen. Gerade in einem Flächenland wie BadenWürttemberg muss jede Region und jeder Standort spezifisch unter die Lupe genommen werden.“
Klar ist: Zentralisierung bedeutet für viele Menschen auch eine weitere Anfahrt zur entsprechenden Spezialklinik. Im Bundesdurchschnitt würde sich die Anfahrt von acht auf 16 Kilometer erhöhen, gibt die AOK an. Für eine bessere Qualität der Behandlung nähmen Patienten das gerne in Kauf.