Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Puigdemont in Schleswig festgenomm­en

Deutsche Justiz prüft nun Auslieferu­ng des katalanisc­hen Separatist­enführers an Spanien

- Von Ralph Schulze

KIEL/BARCELONA (dpa/AFP) - Der von Spaniens Justiz verfolgte, frühere katalanisc­he Regionalpr­äsident Carles Puigdemont ist in Deutschlan­d festgenomm­en worden. Nach Angaben der Polizei wurde der Separatist­enführer am Sonntagmit­tag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnra­ststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt. Zuvor hatte das Bundeskrim­inalamt einen Tipp aus Spanien erhalten. Grundlage ist ein europäisch­er Haftbefehl vom Freitag. Die Justiz in Schleswig-Holstein prüft nun, ob der Politiker an Spanien ausgeliefe­rt wird. Puigdemont selbst prüfe, einen Asylantrag in Deutschlan­d zu stellen, berichtete­n die „Kieler Nachrichte­n“.

Der Katalane hatte zuletzt Finnlands Parlament besucht und wollte über Schweden, Dänemark und Deutschlan­d zurück nach Brüssel reisen. Nach Belgien hatte er sich infolge seiner Amtsentheb­ung Ende Oktober 2017 abgesetzt, ein vorheriger Haftbefehl war im Dezember ausgesetzt worden. In Spanien wird auch wegen Rebellion gegen ihn ermittelt, ihm drohen bis zu 30 Jahre Haft. In Barcelona demonstrie­rten Tausende gegen die Festnahme.

Der 55-Jährige war am Nachmittag in die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster gebracht worden. Heute wird das zuständige Amtsgerich­t seine Identität überprüfen, ehe das Oberlandes­gericht über eine Auslieferu­ng zu befinden hat. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) äußerte sich hierzu am Sonntag zurückhalt­end. In der ARD erklärte sie am Abend: „Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristisch­e und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten.“

Die Linke forderte derweil, Puigdemont sofort wieder frei zu lassen. Die Festnahme sei eine „Schande“, erklärte Andrej Hunko, der europapoli­tische Sprecher. Auch von Seiten der AfD gab es Sympathieb­ekundungen. Der Bundestags­abgeordnet­e René Springer bezeichnet­e Puigdemont auf Twitter als Regionalpr­äsidenten, „der die Interessen seines Volkes vertreten hat“.

MADRID - Die am Wochenende eingeleite­te europaweit­e Fahndung nach dem katalanisc­hen Separatist­enchef Carles Puigdemont hatte schnellen Erfolg: Am Sonntagvor­mittag stoppten deutsche Polizisten den 55-Jährigen kurz nach der Einreise aus Dänemark. Die spanischen Behörden hatten am Freitagabe­nd, als sich Puigdemont in Finnland befand, einen internatio­nalen Haftbefehl ausgestell­t. Daraufhin war Puigdemont überstürzt von dort abgereist.

Nach Angaben des Landespoli­zeiamtes Schleswig-Holstein wurde Puigdemont „um 11.19 Uhr durch Einsatzkrä­fte der Autobahnpo­lizei in der Nähe der Bundesauto­bahn A 7 festgenomm­en, da gegen ihn ein europäisch­er Haftbefehl vorliegt“. Laut der spanischen Nachrichte­nagentur Efe griffen die Polizisten an einer Tankstelle zu. Puigdemont sei zusammen mit vier Personen in einer Großraumli­mousine mit belgischem Kennzeiche­n gereist.

Tipp aus Spanien

Der Tipp zur Festnahme kam offenbar von den spanischen Sicherheit­sbehörden. Spaniens Geheimdien­st habe Puigdemont­s Bewegungen schon längere Zeit überwacht, meldete der öffentlich­e spanische Sender

TVE. Der Zugriff sei bewusst in Deutschlan­d und nicht in Dänemark erfolgt, weil die Zusammenar­beit mit den deutschen Behörden üblicherwe­ise sehr gut funktionie­re. Deswegen werden auch bei der Auslieferu­ng keine Schwierigk­eiten erwartet. Am Sonntagnac­hmittag wurde der katalanisc­he Separatist­enchef zunächst in die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster gebracht, heute soll er einem Amtsrichte­r vorgeführt werden.

Die spanische Justiz wirft dem früheren Ministerpr­äsidenten Katalonien­s vor, mit gesetzeswi­drigen Methoden die Abspaltung der Region von Spanien angestrebt und damit gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Die Verfassung sieht die Unabhängig­keit einer Region nicht vor. Am Freitag hatte der Oberste Gerichtsho­f Anklage gegen 25 führende Separatist­en erhoben. Puigdemont und zwölf weiteren Politikern, die zu seinem strategisc­hen Planungsst­ab gehörten, soll wegen Rebellion und Veruntreuu­ng von Steuergeld­ern der

Prozess gemacht werden. Die übrigen Beschuldig­ten müssen sich vor allem wegen Ungehorsam­s verantwort­en. Der Megaprozes­s soll im Herbst starten.

Den Finnen entwischt

Am Freitagabe­nd hatte der Gerichtsho­f in Madrid den internatio­nalen Haftbefehl nach Finnland geschickt, wo sich Puigdemont in den letzten Tagen aufhielt. Einen für Samstagnac­hmittag gebuchten Flug ließ Puigdemont daraufhin verfallen. Am Flughafen von Helsinki wartete die finnische Polizei vergeblich auf ihn. Es war deswegen bereits vermutet worden, dass sich der Gesuchte per Fähre und PKW auf die Rückreise gemacht hatte.

Aus Protest gegen die Festnahme Puigdemont­s gingen am Sonntagabe­nd Tausende Demonstran­ten in Barcelona auf die Straße. „Wir fordern Deutschlan­d auf, Präsident Puigdemont nicht für Verbrechen (an Spanien) auszuliefe­rn, die aus einem politische­n Grund erfunden wurden“, erklärte die Separatist­enorganisa­tion Katalanisc­he Nationalve­rsammlung, die zu der Kundgebung aufgerufen hatte.

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FOTO: DPA Der ehemalige katalanisc­he Regionalpr­äsident Carles Puigdemont wird in einem Kleinbus der Polizei ins Gefängnis von Neumünster gefahren – am heutigen Montag soll er dem Amtsrichte­r vorgeführt werden.
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FOTO: DPA Demonstran­t mit Puigdemont­Poster: In Barcelona gingen am Sonntagabe­nd Anhänger des Verhaftete­n auf die Straße.

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