Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Geduld der Frauen ist am Ende

In Werbung, Sport und Medien ändern sich langsam die Geschechte­rrollen

- Von Caroline Bock

BERLIN (dpa) - In der Formel 1 gibt es keine Boxenluder mehr, die „Bild“Zeitung will weniger nackte Frauen zeigen. Der Zeitgeist verändert das Rollenbild der Frau in der Öffentlich­keit. Schon seit sechs Jahren gibt es bei der „Bild“die halbnackte Frau auf der Titelseite nicht mehr. Jetzt geht es einen Schritt weiter. Oben ohne ist beim „Bild“-Girl passé. „Unser Gefühl in den letzten Monaten war zunehmend, dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdi­gend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen“, erklärt die Zeitung.

Es soll zwar keine Nacktbilde­r geben, die „Bild“selbst produziert hat. Aber das Blatt will weiter Nacktfotos bringen, „über die das Land spricht“. Auch bei anderen Medien tickt die Zeitgeist-Uhr: Die „Cosmopolit­an“will keine Altersanga­ben mehr nennen, weil das Alter nicht so wichtig sei.

Die Werbebranc­he merkt: Diskrimini­erung und sexistisch­e Motive werden immer weniger geduldet. Das bekam eine Metzgerei zu spüren, die mit dem Slogan „Lust auf Fleisch?“nach Personal suchte, daneben eine Frau in Dessous, die eine Fleischkeu­le schulterte. Nach einer Beschwerde wurde die Ausschreib­ung geändert, wie der Werberat berichtete. Insgesamt bekam die Anlaufstel­le 2017 mehr Beschwerde­n zu Geschlecht­erdiskrimi­nierung und Sexismus als im Vorjahr.

Sogar in der von Männern dominierte­n Formel 1 bahnt sich ein Wandel an. Zum Start der Formel-1-Saison am Wochenende im australisc­hen Melbourne waren in den Boxen keine knapp bekleidete­n Nummern-Girls mehr zu sehen, sondern sogenannte Grid Kids. Das sind Kinder von den jeweiligen Motorsport-Clubs, die bereits im Kartoder Formelspor­t aktiv sind und ihre Idole zum Start begleiten dürfen.

Verstärkt durch MeToo-Debatte

Dieser Sinneswand­el wird mit der MeToo-Debatte über Macht und sexuellen Missbrauch verstärkt. Die Leute gucken genauer hin, wie Frauen dargestell­t werden. „Insgesamt sind die Unternehme­n sensibler geworden, was sexistisch­e Werbung angeht“, sagt Julia Busse, Geschäftsf­ührerin des Zentralver­bands der deutschen Werbewirts­chaft. „Werbung ist in erster Linie ein Spiegel der Gesellscha­ft und gibt Impulse. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, den gesellscha­ftlichen Wandel voranzutre­iben.“Das bedeutet auch: Wenn in der Wirklichke­it tatsächlic­h meist die Frauen den Haushalt schmeißen und die Männer den Rasen mähen, warum soll das im Werbeblock anders sein? Doch Männer haben in der Werbung auch schon über Windeln geredet.

Für Stevie Schmiedel von der Protestkam­pagne Pinkstinks, die sich gegen Sexismus und starre Rollenbild­er richtet, geht es sie nicht darum, Erotik oder Schlüpfrig­keiten zu verbieten. „Wir wollen nicht zensorisch sein“, sagt sie. Eine Frau in Unterwäsch­e ist demnach als Motiv okay, wenn sie für Dessous wirbt. Nicht okay, wenn sie halbnackt für einen Sessel posiert.

Altherrenw­itze und Sexismus: In den Motiven der kleinen und mittelstän­dischen Firmen ist das laut Schmiedel immer noch verbreitet, wie sie an den Beschwerde­n sieht. „Wir sitzen hier wirklich mit offener Kinnlade.“Aber seit der MeToo-Debatte hätten die Unternehme­n begonnen, über Sexismus zu reden.

Was die Kinderzimm­er angeht, so bleibt Deutschlan­d streng in Rosa und Hellblau geteilt, in getrennte Produkte für Mädchen und Jungen. „Es verkauft sich einfach zu gut.“Interessan­t sei, zu sehen, wie unterschie­dlich die Bilder auf den Produkten seien, vom Shampoo bis zum Puzzle, so Schmiedel. Die Jungen seien in Aktion zu sehen, in einer „Ich mach’ mein Ding“-Pose. Die Mädchen hingegen schauten immer in die Kamera, nach dem Motto: „Bin ich schön?“

Was den Striptease in der Zeitschrif­t angeht: Der US-„Playboy“hatte unter großem Getöse den Abschied von den nackten Frauen angekündig­t. Nach einem Jahr der Enthaltsam­keit kam 2017 die Kehrtwende. Die Abkehr vom Kerngeschä­ft sei ein Fehler gewesen. Allerdings verschwand der Zusatz „Unterhaltu­ng für Männer“von der Titelseite.

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Noch vor kurzem hatte jeder Rennfahrer ein sogenannte­s Grid Girl (links das des Rennfahrer­s Nico Müller). Doch seit diesem Jahr begleiten Kinder wie hier in Melbourne die Fahrer zu ihren Autos.
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FOTO: DPA/IMAGO

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