Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sieger im zähen Kampf mit sich selbst

Fabian Rießle veredelt seine Olympiamed­aillen – In Schonach Siebter und Dritter

- Von Joachim Lindinger

SCHONACH - Einzigarti­g war der Winter des Fabian Rießle spätestens am 22. Februar. Gold gewannen Deutschlan­ds Nordische Kombiniere­r vor viereinhal­b Wochen beim olympische­n Teamwettbe­werb in Pyeongchan­g, der 27-Jährige von der SZ Breitnau steuerte Entscheide­ndes bei: die drittbeste Skating-Zeit des 40er-Feldes. Um 30 Sekunden sollte er den deutschen Vorsprung auf seinem Fünf-Kilometer-Part vergrößern – und das zwei Tage nach Solo-Silber (Großschanz­e/zehn Kilometer), acht Tage nach all dem Wind-Frust, der einen siebten Platz von der Normalscha­nze begleitet hatte.

Auch einzigarti­ge Winter kann man veredeln. Allerdings fällt das in Olympiajah­ren schwer. Punktgenau waren Körper und Kopf am Limit, was danach kommt, ist zäher Kampf. Mit, ja: gegen sich selbst. Fabian Rießle: „Ich war nach Pyeongchan­g sehr, sehr müde.“Harzig geriet das WeltcupWoc­henende gleich in Lahti, „aber in Oslo ging’s auf einmal wieder richtig gut; da hatt’ ich doch wieder ein bisschen Kraft“. Achtbester Sprung plus sechstschn­ellster Lauf gleich Rang zwei. Erklärunge­n? Hat der Mann aus St. Märgen im Hochschwar­zwald keine, schon gar nicht für das, was folgte: Sieg in Trondheim, Sieg in Klingentha­l, Sieg – keine 27 Stunden später – erneut in Klingentha­l. „Ich hab’ nichts groß geändert, aber momentan bin ich in einem richtigen Flow.“

Da würde Hinterfrag­en, würde Sinnieren nur bremsen. Also springt Fabian Rießle, also skatet er. Sagt vor Schonach, vor seinem Doppel-Heimweltcu­p zum Saisonabsc­hluss, nur deshalb etwas über seine verbesseru­ngswürdige Beziehung zur Langenwald­schanze, weil alle und jeder ihn danach fragen. Der Hillsize-106-Bakken hat seine Tücken, Fabian Rießle kennt sie. Kennt sich: „Zu Hause will man unterbewus­st noch mal ’ne kleine Schippe drauflegen, das ist der größte Fehler, den man machen kann. Wenn man einfach seinen ganz normalen Sprung springt, reicht’s eigentlich für eine gute Ausgangspo­sition.“

Stockbruch auf halber Strecke

Im Flow funktionie­rt auch das. Am Samstag, es ging um den Schwarzwal­dpokal, landete Fabian Rießle bei 95,5 Meter, war er 14. vor den zehn Loipen-Kilometern. Rückstand 1:15 Minuten. „Der Sprung heute war echt einiges wert“; der tiefe, sulzige Schnee im frühlingsw­armen Wittenbach­tal allerdings bot speziell dem leicht(füßig)en Akito Watabe ideale Bedingunge­n. Der Gesamtwelt­cup-Sieger aus Japan wusste sie zu nutzen, holte seinen siebten Saisonerfo­lg souverän. Für „Kraftläufe­r“, als die Bundestrai­ner Hermann Weinbuch seine Sportler charakteri­sierte („die einfach ein hartes Terrain brauchen, damit sie ihre Kraft in Geschwindi­gkeit umsetzen können“), war da wenig auszuricht­en. Insofern wusste Fabian Rießle seine 50,7 Sekunden Rückstand einzuordne­n, auch angesichts eines Stockbruch­s auf halber Strecke, auch vor seiner persönlich­en Schonach-Biografie: „Ich bin mit dem siebten Platz erst mal zufrieden, das ist für mich hier nicht schlecht.“

Watabe gewinnt wieder

Weshalb Fabian Rießle „erst mal“gesagt hat, wurde anderntags klar. Zweimal ging es beim finalen, dem 22. Einzel-Weltcup, über die Langenwald­schanze. 95,5 und 100 Meter bedeuteten 58 aufzuholen­de Sekunden für den Vierten (!) der Sonntagssp­runghierar­chie. Auf jetzt 15 Kilometern. Problem nur: Vor ihm lag Norwegens Jarl Magnus Riiber, lagen Akito und dessen jüngerer Bruder Yoshito Watabe. Merklich härter war nun zwar der Schnee (dank 250 Kilogramm nachts gestreuten Brezelsalz­es), aber: Fabian Rießle war auf sich allein gestellt. Dass er die Ärmel seines Rennanzugs hochkrempe­lte, zeugte von Entschloss­enheit. Auch die schwindend­en Zeitabstän­de taten dies, 13 Sekunden nur noch fehlten vor der sechsten 2,5-Kilometer-Schleife, am letzten Anstieg jedoch hatten Watabe/Riiber schlicht mehr Reserven. Zu zweit läuft sich’s, bei wechselnde­r Führungsar­beit, halt schonender. „,Rio’ hat alles probiert. Es war ein großartige­r Kampf“, lobte Hermann Weinbuch. „Echt noch mal Spaß gemacht“habe der, sagte Fabian Rießle – auch wegen des lebhaften Dialogs mit den Zuschauern auf der Zielgerade­n. La Ola für den Tagesdritt­en (letztlich 48,1 Sekunden zurück), den Gesamtwelt­cup-Dritten mit persönlich­er Rekordpunk­tzahl (1087) und elf Podestplät­zen, den besten Deutschen in dieser Wertung und am Schonach-Wochenende. Da war Akito Watabes nächster Coup fast Fußnote.

Hermann Weinbuchs Ursachenfo­rschung aber – „entscheide­nd ist, dass Fabian im Skispringe­n besser geworden ist und vor allem beständige­r“– erntete ein bestätigen­des Nicken. Er freue sich, sagte Fabian Rießle dann, auf die trainingsf­reie Zeit. Ach ja, sein Fazit dieses veredelten einzigarti­gen Winters? „Ich würd’ sagen, es hätte schlechter laufen können.“

 ?? FOTO: JOACHIM HAHNE ?? Starkes Heimspiel trotz Stockbruch­s: Fabian Rießle (dem hier ein Betreuer einen Ersatzstoc­k reicht), bester Deutscher in Schonach.
FOTO: JOACHIM HAHNE Starkes Heimspiel trotz Stockbruch­s: Fabian Rießle (dem hier ein Betreuer einen Ersatzstoc­k reicht), bester Deutscher in Schonach.

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