Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bayern verzockt sich

Heynckes sagt ab, Tuchel entscheide­t sich fürs Ausland – in München wird es hektisch

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MÜNCHEN (fil/SID/dpa) - Am Samstag kann der FC Bayern München im Heimspiel gegen Borussia Dortmund zum sechsten Mal hintereina­nder Meister werden. Wer die Mannschaft in der kommenden Bundesliga­saison bei Laune halten soll, wird sich wohl so schnell nicht entscheide­n. Ende März hat für die Verantwort­lichen des FC Bayern München die Suche nach einem Trainer neu begonnen. Oder womöglich sogar erst begonnen, schließlic­h hatte man sich offiziell nie vom Gedanken verabschie­det, Jupp Heynckes doch noch dazu überreden zu können, seinen im Mai endenden Freundscha­ftsdienst noch einmal für eoin Jahr zu verlängern.

Nun aber soll Anfang der vergangene­n Woche erst Jupp Heynckes den Bossen unmissvers­tändlich seinen Abschied zum Saisonende verkündet und am Freitag auch der plötzlich zum Wunschkand­idat der gesamten Bayernführ­ung aufgestieg­ene Thomas Tuchel abgesagt haben. So berichtete­n es „Bild am Sonntag“und „Süddeutsch­e Zeitung“übereinsti­mmend und undementie­rt. Der FC Bayern – allen voran Präsident Uli Hoeneß – scheint sich verzockt zu haben. Die CharmeOffe­nsive bei Heynckes verfing nicht, und dann kam man offenbar zu spät. Schon bei Carlo Ancelottis Freistellu­ng im Herbst hatten Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge und Sportchef Brazzo Salihamidz­ic dem Vernehmen nach Kontakt zu Tuchel aufgenomme­n. Hoeneß war nicht überzeugt, am Ende einigten sich die Bayern geschlosse­n auf Heynckeß – und wurden nicht enttäuscht.

In den letzten Wochen hatte sich auch Heynckes stark gemacht für einen Nachfolger Tuchel, doch auch das hatte Hoeneß nicht restlos überzeugen können. Erst nach Heynckes’ endgültige­r Absage, die zu späte Kehrtwende. Denn Tuchel soll den Bayern-Bossen – Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic – bei einem Telefonat am Freitag mitgeteilt haben, dass er seit rund zehn Tagen bei einem europäisch­en Topclub im Wort stehe.

Tuchels Berater Olaf Meinking war am Sonntag nicht zu erreichen, doch es soll sich laut „kicker“um den FC Arsenal aus der englischen Premier League handeln. Dort würde Tuchel Trainerleg­ende Arsène Wenger beerben, der zwar seit 1996 (!) und noch bis 2019 in London unter Vertrag, aber eben auch in der Kritik steht. Auch der aus Katar finanziert­e französisc­he Blingbling-Club Paris Saint-Germain und der FC Chelsea werden weiter mit Tuchel in Verbindung gebracht.

Und jetzt: Favre oder Hasenhüttl?

Wie auch immer: Den FC Bayern bringt Tuchels abgeschlos­sene Zukunftspl­anung gehörig ins Schwimmen. Ins Blickfeld gerät wieder Ralph Hasenhüttl, der einst immerhin bei den Bayern-Amateuren spielte und den Bayern letzte Woche mit RB Leipzig die erste Niederlage seit Monaten zufügte. Hasenhüttl ist bis 2019 an RB Leipzig gebunden, doch die Verhandlun­gen über eine Verlängeru­ng stocken. Da ist auch Lucien Favre (60) von OGC Nizza. Er soll eine Ausstiegsk­lausel im Vertrag haben und kennt Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge gut, sie waren in den 1980ern bei Servette Genf Zimmerkoll­egen. Zudem könnte Favre auch als Übergangst­rainer fungieren – bis etwa Jürgen Klopp oder Joachim Löw zu haben wären oder Hoffenheim­s Julian Nagelsmann oder Schalkes Domenico Tedesco noch ein bisschen erfahrener werden.

Kontakt hatte Salihamidz­ic wohl auch zu Tottenhams Mauricio Pochettino, der taktisch und trainingst­echnisch ähnlich tickt wie Bayerns Ex-Coach Pep Guardiola, aber eben kein Deutsch spricht, was ja eigentlich Ausschluss­kriterium sein sollte dieses Mal. Die Bayern-Bosse könnten auch umdenken und die Sprache als Auswahlkri­terium zurückstel­len. Ein ausländisc­her Startraine­r wäre nicht neu, wie die jüngere Vergangenh­eit mit Guardiola und dem Italiener Carlo Ancelotti belegt.

Außenseite­rchancen könnte weiterhin auch Niko Kovac von Eintracht Frankfurt haben, der als gebürtiger Berliner nicht nur Deutsch spricht, sondern auch eine BayernVerg­angenheit hat.

Obwohl sich der FC Bayern dank Heynckes’ Arbeit gerade „auf einer Wolke“befindet, wie Hoeneß unlängst anmerkte, mit dem gemütliche­n Schwebezus­tand ist es jetzt vorbei. Der Druck in der Trainersuc­he nimmt rasant zu, und hektische Tage wird es an der Säbener Straße noch so einige geben. Und das kurz vor dem sechsten Meistertit­el in Folge und dem heißen April mit der entscheide­nden Phase in der Champions League.

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FOTO: DPA Thomas Tuchel nach seinem Auftritt beim Prozess gegen den mutmaßlich­en BVB-Attentäter.

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