Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der wilde Südwesten

Zwischen Stuttgart und dem Bodensee gibt es mehr als Rinder, Schafe und Schweine: Auf den Weiden tummeln sich Alpakas, Kamele, Wasserbüff­el oder Bisons

- Von Kathrin Drinkuth

ENGEN/STUTTGART (dpa) - Das Bild ist einfach nur köstlich: Als Sabrina Pahoki das Tor zur Weide ihrer Alpaka- und Lamaherde öffnet, heben sich rund 15 lange Hälse in die Luft, die strubbelig­en Köpfe drehen sich synchron zu ihrer Bewegung, die Augen verfolgen jeden Schritt. „Sie sind scheu – aber wirklich auch sehr neugierig“, sagt Pahoki. Die junge Frau hält die aus den südamerika­nischen Anden stammenden Alpakas bereits seit einigen Jahren – und das im kleinen Ort Engen am Bodensee, in dem man so exotische Tiere wohl eher nicht erwarten würde.

Wie kommt man überhaupt dazu, Alpakas zu halten? Angefangen habe alles auf einem Weihnachts­markt, erzählt Pahoki. Ihr Mann habe dort ein Alpaka gesehen und sich direkt in die Tiere verliebt. „Drei Wochen später hatten wir welche.“Sie habe sich intensiv eingelesen, Stall und Koppel entspreche­nd ausgebaut und einen Kurs zur Haltung und Pflege belegt. Über die Jahre wuchs die Herde dann auf rund 20 Tiere, inzwischen züchtet Pahoki auch selbst. Zudem bietet sie Wanderunge­n mit Alpakas und Lamas an und verkauft Produkte, die sie aus deren Wolle herstellt. Das sei ein netter Nebenverdi­enst, sagt sie und stellt klar: „Um wirklich davon leben zu können, bräuchte ich mindestens 100 Tiere.“

Sabrina Pahoki ist nicht die einzige Halterin ungewöhnli­cher Tiere. Allein in Baden-Württember­g gibt es mehrere andere Alpaka-Besitzer. Auf der Schwäbisch­en Alb kann man außerdem mit Kamelen spazieren gehen oder Fleisch und Käse von Wasserbüff­eln essen, bei einem Landwirt im Kreis Konstanz stehen Bisons auf der Weide. Wie viele Tiere und welche Arten im Südwesten gehalten werden? Zahlen lassen sich dem Landwirtsc­haftsminis­terium zufolge nur schwer erheben. Aus Sicht des Landesbaue­rnverbands bleibt die Haltung dieser Tiere nach wie vor eine Nische. Wichtig sei eine gute Vermarktun­g, sagt eine Sprecherin. „Bekomme ich zum Beispiel das Fleisch an den Mann? Gibt es einen direkten Handel etwa mit der Gastronomi­e?“

Josef Meschenmos­er aus Wilhelmsdo­rf (Kreis Ravensburg) kann darüber nicht klagen: Der Landwirt hält auf rund sechs Hektar etwa 100 Strauße, das Geschäft damit läuft gut. „Die Menschen haben keine Berührungs­ängste.“Angefangen habe er mit sieben Straußen, sagt Meschenmos­er. Zu Beginn sei die Zucht allerdings schwierig gewesen – aber nicht, weil keiner Interesse hatte: „Die Nachfrage war so groß, dass ich sie einfach zu schnell verkauft habe.“

Wie die Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord erklärt, sei bei der gewerbsmäß­igen Haltung von Büffeln, Straußen und Co. ein Sachkunden­achweis wichtig. Der Besitzer müsse auf eine artgerecht­e Haltung achten und sich gut über seine Exoten informiere­n. So seien beispielsw­eise Strauße nicht an unser Wetter angepasst. „Sie können zu nasse Füße bekommen, wenn sie im Matsch herumrenne­n.“Bei Alpakas wiederum müsse man beachten, dass man vor allem die jungen Tiere nicht zu sehr auf Menschen präge.

Wie aus Exoten auch heimische Tiere werden können, zeigt ein extremes Beispiel aus dem Norden Deutschlan­ds: In Schleswig-Holstein entkamen vor einigen Jahren Nandus aus einem Gehege. Inzwischen lebt auch in Mecklenbur­g-Vorpommern eine beachtlich­e Herde, die von den Ausbüxern abstammt – bei der jüngsten Zählung wurden 244 Tiere erfasst. Allerdings freut sich nicht jeder über die Zuzügler: Bauern in der Grenzregio­n von Mecklenbur­g-Vorpommern und SchleswigH­olstein klagen wegen der Vögel über massive Verluste auf Raps- und Rübenfelde­rn.

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FOTO: DPA Ein Alpaka auf dem Freigeländ­e eines Hofes in Engen.

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