Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Notruf ohne Not – auch da kommt die Polizei

- Von Reiner Schick

Da haben die drei kleinen Strolche Tim, Tom und Tobi (Namen von der Redaktion geändert) nicht schlecht gestaunt, als sie am Ostermonta­g die vermutlich erste offizielle polizeilic­he Vernehmung ihres noch jungen Lebens mitten auf dem Laupheimer Rathauspla­tz über sich ergehen lassen mussten. Samt Aufnahme der Personalie­n und Belehrung. Nur die Handschell­en ließen die Ordnungshü­ter stecken.

Was war passiert? Die drei hatten irgendwann keine Lust mehr auf die Rutsch- und Kletterpar­tien am Hubramobil, auch der Frosch im Brunnen vor dem Rathaus verlor offenbar seine Anziehungs­kraft. Ganz im Gegensatz zur Telefonzel­le, eines von zwei Laupheimer Relikten aus fast schon vergessene­n Zeiten monologer Telekommun­ikation. Mehrmals betraten sie das Häuschen und verließen es grinsend, ohne dass sich die auf den Bänkchen sitzenden Eltern Böses dabei dachten.

Bis eine Polizistin und ihr Kollege anmarschie­rt kamen und die Erwachsene­n fragten, ob sie vor wenigen Minuten jemanden aus der Telefonzel­le hätten kommen sehen. Während der SZ-Redakteur, der von den Spielchen seines Sohnes überhaupt nichts mitbekomme­n hatte, bereits eine Sensations­story für die Zeitung witterte – gab es aus der Zelle einen anonymen Erpressera­nruf oder ähnliches? – sagte seine Frau: „Ja, unser Sohn und zwei weitere Kinder waren vorhin drin.“Daraufhin klärten die Polizisten auf: Die Rettungsle­itstelle hätte sie informiert, dass von dieser Zelle soeben aus Spaß der Notruf 112 gewählt worden sei. Das passiere immer wieder und sei ziemlich nervig.

Die drei sechs- bis achtjährig­en Übeltäter standen durchaus verlegen da, wenngleich sie sich mit dem Geständnis so schwer taten wie echte Verbrecher. „Er hat gesagt, wir sollen die 112 wählen. Ich habe aber nichts gemacht“, sagte Tobi und zeigte dabei auf Tim – ausgerechn­et den jüngsten der drei. Dieser räumte die Anweisung an seine älteren Komplizen ein, stellte aber zugleich klar, keinen Finger gerührt zu haben. Also fielen alle Blicke auf Tom, der es dann wohl gewesen sein muss. „Ich war’s nicht“, beteuerte er – natürlich.

Clever oder dreist?

Ist das nun clever oder dreist von meinem Sohn, zum brenzligen Teil der Streiche lieber die Anderen anzustifte­n?, fragte sich der SZ-Redakteur. Wie auch immer: Alle drei erhielten zurecht die Belehrung durch die Ordnungshü­ter. „Wenn ihr so etwas macht, und jemand anders, der wirklich in Not ist, versucht im selben Moment ebenfalls die 112 anzurufen, dann kommt er nicht durch und bekommt vielleicht keine Hilfe. Ist euch das klar?“Das Trio nickte artig und musste verspreche­n, ohne Not die Finger von den Telefontas­ten zu lassen. Und sie mussten ihre Personalie­n angeben. Die Eltern ebenfalls. Bei der nächsten Rasterfahn­dung, sinnierte der Redakteur, fallen wir nun wohl nicht mehr durchs Sieb.

Weil der vollkommen berechtigt­e Polizeiein­satz mit diesem augenzwink­ernden Artikel nicht ins Lächerlich­e gezogen werden soll, seien an dieser Stelle alle Eltern ermahnt: Schauen Sie hin, was ihre Kinder in den Telefonzel­len (oder mit Ihren Handys) treiben. Sonst wird’s womöglich ungemütlic­h. Zwar passiert nicht unbedingt das, was Tom für den Wiederholu­ngsfall vermutete („Kommt die Polizei dann mit Handschell­en?“), aber teuer könnte es werden. Bei einem durch Kinderstre­iche ausgelöste­n „Falschalar­meinsatz“, so der Fachbegrif­f, können nämlich die Eltern für die Erstattung der Kosten herangezog­en werden. Und vermutlich reicht das Taschengel­d der Kleinen dafür nicht aus.

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FOTO: REINER SCHICK Das Corpus Delicti am Rathauspla­tz.

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