Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Solidaritä­tskreis rechnet mit längerem Prozess gegen Tolu und Ehemann

Demonstrat­ion und Informatio­nsabend am Freitag in Ulm - Unterstütz­er sehen politische­n Einfluss auf türkische Justiz

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ULM (mö/sz) - In drei Wochen, am 26. April, will die türkische Justiz gegen die aus Ulm stammende Übersetzer­in und Journalist­in Mesale Tolu und ihren Ehemann Suat Çorlu weiter verhandeln. Mit einem längeren Verfahren rechnet Baki Selçuk, Sprecher des Solidaritä­tskreises „Freiheit für Mesale Tolu“.

Am morgigen Freitag sollen in Ulm die Demonstrat­ionen weitergehe­n, außerdem ist ein Informatio­nsabend geplant: „Wir sind bemüht, vor der Fortsetzun­g des Prozesses nochmals Öffentlich­keit zu schaffen, und wollen mit einer Delegation im Gerichtssa­al sein, um Frau Tolu an Ort und Stelle zu unterstütz­en“, lädt Selçuk, ein.

Mesale Tolu hatte mehr als sieben Monate in Istanbul in Untersuchu­ngshaft gesessen, am 18. Dezember wurde sie nach einem entspreche­nden Gerichtsbe­schluss während des laufenden Verfahrens entlassen. Zugleich wurde allerdings eine Ausreisesp­erre gegen sie verhängt. Tolu und weiteren Beschuldig­ten wird Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation vorgeworfe­n, gemeint ist die linksextre­me MLPK. Ihr Prozess wird am 26. April in Istanbul fortgesetz­t. Tolu hat ausschließ­lich die deutsche Staatsbürg­erschaft.

Wie vor einigen Wochen bekannt wurde, stehen Tolu und ihr Ehemann in einem gemeinsame­n Verfahren vor Gericht. „Zurzeit arbeitet die Justiz in der Türkei nicht auf rein rechtliche­r Basis, sondern mit politische­n Motiven“, erläuterte Baki Selçuk jetzt in einem Gespräch mit der in Berlin erscheinen­den Wochenzeit­ung „Jungle World“: Wir gehen deshalb davon aus, dass die Prozesse aus politische­n Gründen zusammenge­legt wurden. Den Hintergrun­d kennen wir aber noch nicht. Der Prozess wird allerdings wegen der Zusammenle­gung länger dauern.“

Nach Selçuks Angaben beschränke­n sich die Beweise, mit denen die Staatsanwa­ltschaft ihre Vorwürfe belegen will, auf die Teilnahme Tolus an Veranstalt­ungen und Beerdigung­sfeiern: „Auch in Frau Tolus Wohnung fanden die Beamten nichts, was ihr zur Last gelegt werden könnte.“

Selçuk sieht Parallelen zwischen Tolu und dem „Welt“-Korrespond­enten Yücel, der vor einigen Wochen frei gelassen worden war: „Es war schon im Fall Deniz Yücel zu sehen: Ein Jahr lang gab es nicht einmal eine Anklagesch­rift, plötzlich war er dann frei. Da hat sich bestätigt, was wir von Beginn an gesagt haben: Die Justiz trifft keine freien Entscheidu­ngen, alles ist politisch motiviert. Viele Anwälte und Organisati­onen können das bestätigen.“

Mesale Tolu arbeitet nach Angaben des Solidaritä­tskreises wieder in kleinem Umfang: „Darüber hinaus werden die beiden von Bekannten, Freunden und dem Solidaritä­tskomitee unterstütz­t“, sagte Selçuk. Grundsätzl­ich seien alle Opposition­ellen in der Türkei gefährdet: „Frau Tolu ist sich des Sicherheit­srisikos bewusst. Sie versucht, sich möglichst nur in Begleitung in die Öffentlich­keit zu begeben. Das ist natürlich nicht immer möglich.“

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FOTO: KN Mesale Tolu und ihr Ehemann Suat Çorlu.

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