Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kirchliche Arbeitgeber halten an ihren Verfahren fest
Das Katholische Verwaltungszentrum Biberach zieht auch nach dem EuGH-Urteil Katholiken vor
BIBERACH - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag entschieden: Kirchliche Arbeitgeber dürfen die Religionszugehörigkeit in Bewerbungsverfahren nicht zur Voraussetzung machen. Im Streitfall soll die Justiz entscheiden. In der Region sehen Caritas und Diakonie keine Veränderungen auf sich zukommen.
In dem aktuellen Fall hatte eine Frau wegen religiöser Diskriminierung auf Entschädigung geklagt, weil die evangelische Diakonie sie aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen hatte.
Religion in Leitungsebene Thema
„Das neue Urteil des EuGH tangiert uns nicht“, erklärt Nicole Rapp, die Personalleiterin der St.-ElisabethStiftung in Heggbach. „Das gilt für unsere Kunden wie auch für unsere Mitarbeiter. Wir stehen allen Konfessionen gleich tolerant gegenüber.“Das sei auch im Leitbild und im Seelsorgekonzept der Stiftung verankert. Wie viele Mitarbeiter und Bewohner anderen Religionen angehören oder konfessionslos sind, kann Rapp nicht sagen: „Darüber führen wir keine Statistik, eben weil es für uns keine Rolle spielt. In Bewerbungsgesprächen ist das auch nie ein Thema.“Mitarbeiter müssten sich jedoch darauf einstellen, Bewohner in Gottesdienste oder bei Gebeten zu begleiten. Das werde vorab kommuniziert.
Bei Caritas und Diakonie verlaufen die Bewerbungsprozesse differenzierter. „Wir sind offen. Das gilt nicht nur für die Religionszugehörigkeit, sondern auch für die sexuelle Orientierung oder Nationalität“, erklärt Joachim Schmucker, Fachleiter der Caritas-Region Biberach. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart seien 30 Prozent der Mitarbeiter nicht katholisch. Zugleich macht Schmucker Einschränkungen: „Bei Putzfrauen oder Pflegern ist die Bedeutung der Religionszugehörigkeit natürlich eine andere als bei leitenden Angestellten. In der Hierarchie steigt der Anspruch auf Loyalität.“Hierbei handele es sich um einen ideellen Anspruch, den der Arbeitgeber haben könne. Ähnlich ist die Regelung bei der Diakonie: „In der Geschäftsführungsebene muss ich die Trägerinteressen auch nach außen vertreten“, erklärt Pfarrer Peter Schmogro, Gesamtleiter der Diakonischen Bezirksstelle Biberach. In der Regel würden konfessionslose Mitarbeiter bis zu zwei Jahre beschäftigt. Dann müssten sie der evangelischen Kirche beitreten: „In der Praxis weichen wir aber auch davon ab. Es ist entscheidend, mit welcher Motivation die Leute kommen. Und die meisten sind bereit, sich mit unseren Werten zu identifizieren.“Im Einzelfall müsse abgewogen werden.
Joachim Schmucker gibt zu bedenken: „Die Caritas ist etwas anderes als die Kirche. Die Kirche ist der verkündigende Teil und hat das pastorale Personal.“Zu Schmuckers Unverständnis werden auch Mitarbeiter von Kindergärten und Kitas so behandelt. Muslime würden zwar auch als Erzieher eingestellt, das Verfahren sei aber ein anderes. Diakoniepfarrer Schmogro wertet die Lage für Muslime in kirchlichen Sozialeinrichtungen gar als „tragisch“.
Kirche benutzt Prüfraster
Thomas Stöhr, Leiter des katholischen Verwaltungszentrums Biberach, kümmert sich um die sozialen Einrichtungen des katholischen Dekanats und erklärt: „Der überwiegende Anteil unserer Erzieher wird immer katholisch bleiben. Unsere Werte und die damit verbundenen Traditionen können nur so vorgelebt werden.“Im Bewerbungsverfahren gelte ein Prüfraster. Zunächst müsse die Relevanz geklärt werden: Inwiefern ist das Berufsbild religionspädagogisch? Katholische Bewerber würden bevorzugt, dann folgten alle Bewerber die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland angehören. Zuletzt alle anderen. Bei Reinigungskräften oder Hausmeisterdiensten etwa würde das Raster keine Rolle spielen.
Stöhr sieht zwar eine komplette Gleichstellung unter den Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen nicht kommen. In der Entscheidung des EuGH erkennt er aber lediglich ein Randurteil: „Ich sehe da keine Klagen auf mich zukommen. Es wird erst mittelfristig Änderungen geben.“Man müsse sich Gedanken machen, wie die Kirche trotz Vielfalt glaubwürdig bleiben und ihre Werte nach außen tragen kann. „Da sind wir aber schon auf dem Weg. In unseren Einrichtungen sind von acht Kindergartenleitungen drei evangelisch. Mit Blick auf die letzten 20 Jahre ist das eine Sensation.“Ob auch ein Muslim irgendwann diese Position haben wird, sei eine Frage der Identität: „Das kann ich auch nicht beantworten. Für mich persönlich sind alle Menschen gleich.“
Der evangelische Dekan Hellger Koepff war die vergangenen zwei Tage für die SZ nicht zu erreichen.
Diakoniepfarrer Schmogro hat das EuGH-Urteil verunsichert: „Einerseits mahnen Staat und Behörden konfessionelle Zugehörigkeit an, damit wir als Kirche unseren Status als Körperschaft öffentlichen Rechts behalten. Andererseits gibt es den Trend der Öffnung, um Diskriminierung abzubauen.“Wäre der Druck durch die Politik geringer, würden vermutlich auch die kircheninternen Verfahren noch offener, vermutet Schmogro. Intern stelle er fest, dass die Mitarbeiter sehr tolerant seien. Nichtsdestotrotz: „Wer sich bei der Kirche bewirbt, dem ist bewusst, dass wir ein Tendenzbetrieb sind, in dem verschiedene Werte vermittelt werden.“