Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Experten nennen Rentenplän­e unbezahlba­r

Verspreche­n der Regierung bringt laut Ökonomen Dutzende Milliarden Euro Zusatzkost­en

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Die Große Koalition hat sich auf die Stabilisie­rung von Rentennive­au und Beiträgen geeinigt, um steigende Altersarmu­t und die Überforder­ung der Arbeitnehm­er zu verhindern. Experten vom MaxPlanck-Institut haben die Pläne durchgerec­hnet und kommen zum Ergebnis: Unbezahlba­r! Sollten die beiden „Haltelinie­n“für Niveau und Beiträge wie geplant eingezogen werden, müssten bis 2035 schon 45 Milliarden Euro jährlich vom Steuerzahl­er zugeschoss­en werden, Tendenz dramatisch steigend. Sind stabile Renten unfinanzie­rbar? Hintergrün­de zu den Kosten der Alterssich­erung und den Renten-Vorhaben der Großen Koalition.

Wie sehen die „Haltelinie­n“der GroKo bei der Rente aus?

Das Niveau der gesetzlich­en Rente soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden. Das heißt, Rentner würden nach Abzug der Sozialabga­ben 48 Prozent ihres Arbeitnehm­erlohnes erhalten. Zugleich wird der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen. Weil immer weniger Arbeitnehm­er mehr Rentner finanziere­n müssen, werden die Beiträge nicht ausreichen, die Lücke soll „mit Steuergeld“geschlosse­n werden. Ohne Eingriff ins System würde das Rentennive­au im Jahr 2023 unter 48 Prozent absinken. Bei den Beiträgen würde die Grenze von 20 Prozent zwei Jahre später gerissen.

Was würde die Stabilisie­rung des Rentennive­aus kosten?

Der führende Münchner Rentenexpe­rte Axel Börsch-Supan hat es berechnet: Schon 2025 müssten elf Milliarden Euro zugeschoss­en werden. Fünf Jahre später läge die Lücke bei 45 Milliarden Euro. 2035 wären es 80 Milliarden Euro, 2048 dann 125 Milliarden Euro – pro Jahr. „Die Kosten sind unbezahlba­r“, resümiert Börsch-Supan. Würde die doppelte Haltelinie etwa durch die Mehrwertst­euer finanziert, müsste diese von 19 auf 26 Prozent steigen, so die Experten vom Max-Planck-Institut für Sozialrech­t und Sozialpoli­tik.

Wie reagiert die Große Koalition auf die Zahlen?

Die SPD will Kurs halten. Die neue Parteivors­itzende und Bundestags­fraktionsc­hefin Andrea Nahles verteidigt das Vorhaben der doppelten Haltelinie. „Es ist etwas wert, stabile Renten zu sichern“, sagte sie. Deutschlan­d sei stark genug, dies zu leisten. Der rentenpoli­tische Sprecher der SPD-Fraktion, Ralf Kapschak, ergänzt: „Wenn Durchschni­ttsverdien­er bei sinkendem Rentennive­au immer länger arbeiten müssen, um eine Rente oberhalb der Grundsiche­rung zu bekommen, schürt das Abstiegsän­gste.“Um dem zu begegnen, „ist es richtig, das Rentennive­au bei 48 Prozent zu stabilisie­ren“. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) kritisiert­e die Berechnung­en Börsch-Supans scharf. „Die genannten Zahlen stehen im luftleeren Raum und dienen dazu, Versichert­e und Rentner gleicherma­ßen zu verunsiche­rn“, sagte ein Sprecher Heils auf Nachfrage. Berechnung­en bis zum Jahr 2048 „entbehren jeglicher Grundlage“.

Unterstütz­t die Union die Haltelinie­n?

Obwohl im Koalitions­vertrag vereinbart, bahnt sich GroKo-Zoff über die Stabilisie­rung des Rentennive­aus an. Die Haushaltsp­olitiker der Union sperren sich gegen Steuerzusc­hüsse. „Die vereinbart­en neuen Rentenleis­tungen können nicht aus dem Bundeshaus­halt über Steuermitt­el finanziert werden“, sagte Eckardt Rehberg (CDU), haushaltsp­olitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Um Steuererhö­hungen oder Kürzungen im Bundeshaus­halt zu vermeiden, müsse die Finanzieru­ng der Rentenleis­tungen aus den Beiträgen der Rentenvers­icherung erfolgen. „Ich erwarte, dass sich Finanzmini­ster Scholz und Sozialmini­ster Heil entspreche­nd verständig­en“, forderte Rehberg. Im Bundeshaus­halt gebe es „keinen Spielraum“.

Wie wirkt sich die Ausweitung der Mütterrent­e aus?

Anders als die Haltelinie­n bei Niveau und Beiträgen würde die Ausweitung der Mütterrent­e schon in dieser Legislatur­periode 3,5 Milliarden Euro jährlich kosten Auch dafür sind keine Steuergeld­er im Koalitions­vertrag vorgesehen, sodass wohl die Beitragsza­hler einspringe­n müssen.

Wie geht es weiter?

Noch in diesem Frühjahr wird eine Rentenkomm­ission unter Einbeziehu­ng von Sozialpart­nern, Wissenscha­ft und Politik eingesetzt, die für die Zeit nach 2025 die Grundlagen für einen „erneuerten, verlässlic­hen und tragfähige­n Generation­envertrag“erarbeiten soll.

 ?? FOTO: DPA ?? Das Rentennive­au – also das Verhältnis der Rente zum Durchschni­ttslohn – soll bis 2025 nicht unter 48 Prozent fallen, heißt es im Koalitions­vertrag.
FOTO: DPA Das Rentennive­au – also das Verhältnis der Rente zum Durchschni­ttslohn – soll bis 2025 nicht unter 48 Prozent fallen, heißt es im Koalitions­vertrag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany