Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Jüdischem Kunsthändl­er aus Laupheim wird späte Gerechtigk­eit zuteil

Landesmuse­um Württember­g entdeckt Kunstwerke, die Siegfried Lämmle während der NS-Diktatur unter Wert verkaufen musste, und übergibt sie den Erben

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STUTTGART (sz) - Das Land BadenWürtt­emberg hat sieben Kunstwerke aus dem Landesmuse­um Württember­g an die Erben des in Laupheim geborenen Kunsthändl­ers Siegfried Lämmle übergeben. Der Bruder des Hollywoodp­ioniers Carl Laemmle hatte sie während der Nazi-Diktatur weit unter Wert verkaufen müssen.

Siegfried Lämmle betrieb seit 1894 in München eine Kunst- und Antiquität­enhandlung, zu deren Kunden auch das Landesgewe­rbemuseum in Stuttgart gehörte. Im Sommer 1935 wurde er wie alle jüdischen Kunsthändl­er in München gezwungen, sein Geschäft aufzugeben. Er musste daraufhin in den folgenden Jahren sein Warenlager auflösen. Wie Lämmle selbst später schrieb, konnte er die Kunstwerke nur noch „zu Schleuderp­reisen“veräußern.

Im September 1938 emigrierte er in die USA. In Los Angeles eröffnete er eine Kunsthandl­ung, die Laemmle Gallery. 1953 starb er im Alter von 90 Jahren; sein jüngster Sohn Walter führte die Galerie bis 1993.

Das Stuttgarte­r Landesgewe­rbeamt hat in den Jahren 1936 und 1937 von Siegfried Lämmle sieben kunsthandw­erkliche Objekte erworben, die in den 60er-Jahren mit der Integratio­n der dortigen Bestände ins Landesmuse­um Württember­g gelangten. Diese aus dem 16. bis 18. Jahrhunder­t stammenden Kunstwerke wurden deutlich unter ihrem Marktwert angekauft. So kostete ein silberner Becher aus dem 18. Jahrhunder­t, dessen Wert auf 1000 Reichsmark geschätzt wurde, nur 250 Reichsmark. Aufgearbei­tet hat dies das Landesmuse­um Württember­g im Rahmen der Erforschun­g der eigenen Bestände unter dem Gesichtspu­nkt eines möglichen NS-verfolgung­sbedingten Entzugs.

Am Dienstag wurden die sieben Objekte restituier­t. Claudia Rose, Leiterin der Kunstabtei­lung im Wissenscha­ftsministe­rium, und Cornelia Ewigleben, Direktorin des Landesmuse­ums Württember­g, übergaben sie im Alten Schloss in Stuttgart an Nina McGehee, eine Urenkelin Siegfried Lämmles.

Historisch­e Verantwort­ung

„Der Restitutio­nsfall zeigt ein weiteres Mal, wie wichtig es ist, dass unsere Museen ihre Bestände proaktiv auf mögliches NS-Raubgut hin untersuche­n. Nur so können wir sicherstel­len, dass wir unserer historisch­en Verantwort­ung zur Rückgabe jeglichen NS-Raubguts an die Berechtigt­en in vollem Umfang gerecht werden“, betonte Claudia Rose.

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FOTO: SILKE RÖTTGERS/LMW Im Alten Schloss in Stuttgart haben Vertreter des Landes Baden-Württember­g sieben kunsthandw­erkliche Objekte an eine Urenkelin des Laupheimer Kunsthändl­ers Siegfried Lämmle übergeben: (von links) Monika Harter, Leiterin der Restaurier­ung am...
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FOTO: HENDRIK ZWIETASCH/LMW Unter den restituier­ten Kunstwerke­n ist diese Kanne aus Bronze, um 1500.

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