Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Facebook will sich nicht stoppen lassen
Nach dem Datenskandal geht Firmenchef Mark Zuckerberg in die Offensive
SAN JOSE (dpa) - Was macht man als weltgrößtes Onlinenetzwerk, wenn alle Welt einem vorwirft, zu viele Daten zu sammeln und zu mächtig geworden zu sein? Facebooks Antwort: Man rückt noch tiefer in den sensibelsten Bereich menschlicher Beziehungen vor – und sammelt nebenbei noch mehr Daten. Der gerade angekündigte Einstieg der Firma ins Geschäft mit der Partnersuche ist mehr als nur eine neue Funktion. Gründer und Chef Mark Zuckerberg setzt damit ein symbolisches Zeichen: Facebook mag nach dem Datenskandal einiges geändert haben, aber es wird nicht stehen bleiben.
In den vergangenen Wochen und Monaten gab es von Zuckerberg eher demütige Töne zu hören. Erst räumte er ein, dass Facebook nicht schnell genug die aus Russland geführte Propagandakampagne im Zuge der USPräsidentenwahl erkannt habe. Und im März wurde Facebook auch noch aus heiterem Himmel vom jahrealten Datenskandal um den Abfluss von Nutzerdaten an die Firma Cambridge Analytica eingeholt.
Das Onlinenetzwerk mit mehr als zwei Milliarden Nutzern schien in eine existenzielle Krise geschlittert zu sein. Aufrufe, Facebook zu verlassen, machten online die Runde. Zuckerberg entschuldigte sich oft und ausgiebig, überstand weitgehend glimpflich eine zehnstündige Fragerunde im US-Kongress, der Newsfeed wurde auf Kosten von Medieninhalten stärker auf Beiträge von Freunden und Familie ausgerichtet, der Zugang von Softwareentwicklern zu Nutzerdaten wurde eingeschränkt, die Nutzer bekommen neue Datenschutzwerkzeuge. Es war nicht das erste Mal, dass Facebook sich für Fehler und Datenschutzfehltritte entschuldigen musste. Aber noch nie sagte Zuckerberg so weitreichenden Wandel zu.
Doch jetzt, auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8, blies er wieder zur Offensive. „Wenn Sie wie ich glauben, dass es wichtig ist, Menschen eine Stimme zu geben, dass es wichtig ist, Beziehungen und das Gemeinschaftsgefühl aufzubauen, dass es wichtig ist, hart daran zu arbeiten, die Welt näher zusammenzubringen, dann sage ich: Wir werden weiterbauen“, verkündete der 33-Jährige ungewöhnlich kämpferisch in den Saal. „Wir müssen diese Idee am Leben erhalten.“Die Welt werde sich nicht von alleine in diese Richtung bewegen.
Facebook sei dazu da, jedem auf der Welt die Möglichkeit zu geben, alles, was man will, jederzeit und überall mit anderen zu teilen, betonte Zuckerberg. Die Botschaft nach den turbulenten Wochen: Die jüngsten Änderungen sollen dafür sorgen, dass alle dabei sicher seien, also muss es wieder nach vorne gehen.
Neue Dating-Funktion
Zum Beispiel mit der Partnersuche. Details dazu blieben noch dünn, aber die Gedankenspiele, die man damit anstellen kann, sind faszinierend. Facebook weiß so viel über seine Nutzer: was ihnen gefällt, wofür sie sich interessieren, wo sie sind, wen sie kennen. Und zwar aus tatsächlichen Verhaltensdaten, nicht eventuell geschönten Profilen. Traut sich Facebook etwa zu, auf dieser Basis einen Algorithmus für die Liebe zu generieren? Und wie weit würde das Onlinenetzwerk dabei gehen, die dabei neu gewonnenen intimen Daten für Anzeigenkategorien einzusetzen, anonymisiert natürlich?
Der wichtigste Teil von Facebook seien die Beziehungen, die man aufbaue, und das, was man gemeinsam machen könne, sagte Zuckerberg. Mitunter schien es, als wolle er unbedingt den Vorwurf widerlegen, das eigentliche Produkt von Facebook sei der Zugang zu den Nutzern, den das Onlinenetzwerk an Werbekunden verkaufe. Die F8 zeigt: Der Facebook-Gründer wird immer noch von dem Drang angetrieben, alle miteinander zu vernetzen. Die Werbung scheint dabei nur ein Mittel zum Zweck, weil man sonst keinen kostenlosen Dienst für Milliarden Menschen auf die Beine stellen kann. Offen bleibt, ob es Zuckerberg und seinem Team nach dem jüngsten Skandal nun gelingt, die Balance zwischen Privatsphäre und Datengeschäft zu finden.