Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zukunftspl­äne für die Rente

Arbeitsmin­ister Heil möchte neuen Generation­envertrag

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN (AFP) - Das Ziel ist eine zukunftsfä­hige Alterssich­erung: Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) hat die von Union und Sozialdemo­kraten vereinbart­e Rentenkomm­ission eingesetzt. „Die Aufgabe ist es, Armut im Alter zu vermeiden und die Grundlage der Alterssich­erung zukunftsfä­hig zu erneuern“, sagte Heil am Donnerstag bei der Vorstellun­g des Gremiums. Die Kommission soll bis März 2020 ihren Bericht zur Zukunft des Rentensyst­ems vorlegen. Wegen des demografis­chen Wandels und der Veränderun­gen der Arbeitswel­t stehe das Rentensyst­em vor „sehr, sehr großen Herausford­erungen“.

Auf Grundlage der Kommission­svorschläg­e wolle die Regierung „möglichst noch in dieser Legislatur­periode die Weichen für einen verlässlic­hen Generation­envertrag stellen“, sagte Heil. „Wir brauchen eine Rentenpoli­tik für heute, für morgen und auch für übermorgen.“

BERLIN - Elf Freunde finden sich in einer Fußballman­nschaft selten. In einer gleich großen Kommission erst recht nicht. So werden auch in der nun von der Regierung benannten Rentenkomm­ission die Meinungen in den kommenden zwei Jahren heftig aufeinande­rprallen. Ähnlich dem Fußball spielen strategisc­he und taktische Überlegung­en dabei eine große Rolle. Denn die Aufgabe der Expertenru­nde hat es in sich. Sie soll bis März 2020 Vorschläge für die Gestaltung des Rentensyst­ems ab dem Jahr 2025 entwickeln.

Danach scheiden mit den Babyboomer­n die geburtenst­arken Jahrgänge aus dem Berufslebe­n aus und immer weniger junge Menschen müssen immer mehr ältere finanziere­n. Die Fachleute sollen die „Enkeltaugl­ichkeit“des Systems sicherstel­len, wie es Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) nennt.

Nun stellte der Minister das Gremium vor. Den Vorsitz teilen sich die erfahrenen Sozialpoli­tiker Karl Schiewerli­ng (CDU) und Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Dazu kommen weitere Politiker, Vertreter von Arbeitgebe­rn, Gewerkscha­ften und drei Wissenscha­ftler. Axel BörschSupa­n vom Max-Planck-Institut, die Soziologin Simone Scherger von der Uni Bremen und Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW). Bis zum März 2020 sollen sie eine Reform der Alterssich­erung erarbeiten. „Die Aufgabe ist es, Armut im Alter zu vermeiden“, sagt Heil, „wir reden von einer richtig schweren Aufgabe.“

Doppelte Haltelinie

Denn ein erträglich­es Rentennive­au mit gleichzeit­ig leistbaren Beiträgen für die jüngere Generation ist nur bis Mitte des nächsten Jahrzehnts gesichert. Die Bundesregi­erung will per Gesetz festlegen, dass die Renten nicht unter einen Wert von 48 Prozent des letzten Einkommens sinken dürfen und der Beitragssa­tz von 18,6 Prozent nicht über 20 Prozent des Lohnes steigen soll. Eine doppelte Haltelinie. Schon dies sorgt 2025 nach Berechnung­en Börsch-Supans für eine Finanzieru­ngslücke von elf Milliarden Euro, die sich ohne Reform in den folgenden Jahren dramatisch vergrößern würde.

Zunächst muss sich die Kommission auf eine Prognose der wichtigste­n Faktoren bei den Einnahmen der Rentenkass­e verständig­en. Dazu zählen vor allem die Beschäftig­tenzahl und die Entwicklun­g von Löhnen und Gehältern. Aus dem Ergebnis lässt sich der finanziell­e Bedarf der Alterssich­erung ermitteln. Schon allein diese Prognosen sind mit mehr Unsicherhe­iten verbunden als früher. Denn wie sich die Digitalisi­erung der Wirtschaft auf die Einkommen und die Zahl der Arbeitsplä­tze auswirken wird, weiß noch niemand.

Der zweite Schritt wird die Konflikte zwischen den Interessen­gruppen ans Licht bringen. Denn jede Maßnahme kennt Gewinner und Verlierer. So fordert die IG Metall schon jetzt steigende Renten und will die Lasten zwischen Arbeitgebe­rn, Arbeitnehm­ern und Steuerzahl­ern aufteilen. Die wirtschaft­snahe Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft bringt dagegen eine längere Lebensarbe­itszeit ins Spiel.

Einnahmen erhöhen

Damit sind fast alle Stellschra­uben schon benannt. Die Regierung kann das Rentennive­au verändern, die Beitragssä­tze für die Rentenvers­icherung, mehr Steuern ins System pumpen oder das Rentenalte­r erhöhen. Dazu kommt noch die Möglichkei­t, durch mehr Qualifikat­ionsangebo­te für Arbeitnehm­er und eine höhere Erwerbsbet­eiligung von Frauen die Einnahmen der Rentenkass­e zu erhöhen. Um die richtige Mischung des Instrument­enkastens wird in der Kommission nun hart gerungen.

Ob die Vorschläge der Experten schnell umgesetzt werden, ist offen. „Wir sollten die Weichen dann auch stellen“, sagt Heil.

2021 ist bereits die nächste Bundestags­wahl. Mit einer schlechter­en Alterverso­rgung oder steigenden Abgaben für alle Arbeitnehm­er lassen sich schwer Wähler gewinnen. Der Anreiz, die fälligen Taten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, ist daher groß.

Der von Heil ebenfalls in die Kommission berufene Axel BörschSupa­n hatte zuletzt mit der Feststellu­ng für Aufmerksam­keit gesorgt, dass eine längerfris­tige Haltelinie unbezahlba­r sei. „Auf diese demografis­che Umwälzung allein mit starren Haltelinie­n beim Beitragssa­tz und beim Rentennive­au zu reagieren, würde den Steuerzusc­huss für die Rente bis 2035 um 80 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Höhe treiben“, sagte er.

Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer forderte: „Die Koalition sollte die Rentenkomm­ission ernst nehmen und nicht bereits vorab neue milliarden­schwere Leistungsa­usweitunge­n beschließe­n, deren langfristi­ge Finanzierb­arkeit ungeklärt ist.“

 ?? FOTO: DPA ?? Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) will mithilfe einer Kommission die Weichen für die Altersvors­orge ab 2025 stellen.
FOTO: DPA Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) will mithilfe einer Kommission die Weichen für die Altersvors­orge ab 2025 stellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany