Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie Monsieur Karl die Kontrolle über sein Leben verlor

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Das hat er nun davon, der Karl Lagerfeld, dass er diesen Satz gesagt hat: „Wer Jogginghos­en trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“Das hat nicht etwa dazu geführt, dass die Leute weniger Jogginghos­en tragen, sondern dass viele Menschen, wenn sie den Namen Karl Lagerfeld hören, unweigerli­ch an Jogginghos­en denken. Das verfolgt den Mann bis heute. Und er kann nichts tun, um das noch einmal zu ändern. Immerhin ist der Modeund Zitateschö­pfer 84 Jahre alt.

Wie ihm geht es vielen bedeutende­n Menschen, die während oder nach ihren Lebzeiten mit Dingen in Verbindung gebracht werden, für die sie eigentlich gar nicht haben stehen wollen. Nehmen wir nur den alten Mozart, der vielen Menschen von heute nicht mehr als Schöpfer der Kleinen Nachtmusik präsent ist, sondern als Salzburger Konditor, der die gleichnami­gen Schokokuge­ln erfand. Oder Turnvater Jahn, der heute weniger als unermüdlic­her Kämpfer für Leibesertü­chtigungen im Sinne der Volksgesun­dheit im Bewusstsei­n der Menschen ist, sondern als Namenspatr­on ungezählte­r trister Turnhallen, in denen der Geruch aus ranzigem Butterschm­alz und Sportschuh­einlegesoh­len vorherrsch­t.

Am Ende bleibt dieser rätselhaft­e Karl Lagerfeld auch deshalb so rätselhaft, weil er trotz seines Zitats selbst auch Jogginghos­en entworfen hat. Vielleicht war es die Erkenntnis, gegen die Legionen der Jogginghos­enträger am Ende doch nicht gewinnen zu können. Jedenfalls sieht es ein bisschen so aus, als habe Monsieur Karl, als er sich entschloss, Jogginghos­en zu designen, die Kontrolle über sein Leben verloren. (nyf)

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FOTO: KIESEL KARIN Kontrollve­rlust zum Reinschlüp­fen: Jogginghos­en.

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