Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eishockey-WM

Olympia-Silber kann für die Eishockey-Nationalma­nnschaft bei der WM kein Maßstab sein

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Bundestrai­ner Sturm nimmt den OlympiaHel­den den Druck

KOPENHAGEN (SID/dpa) - Alois Schloder hat Marco Sturm gewarnt. Der Bronzeheld von Innsbruck erinnerte den Silberschm­ied von Pyeongchan­g an einen Albtraum, der beinahe Wirklichke­it wurde. „Sie waren nur 22 Sekunden entfernt von der Zweitklass­igkeit“, konstatier­t Eishockey-Bundestrai­ner Sturm: „Das sagt doch alles. Es ist ein neues Turnier, man muss Olympia jetzt abhaken.“

Denn ab Freitag (20.15 Uhr/ Sport1), wenn die deutsche Nationalma­nnschaft 68 Tage nach dem historisch­en zweiten Platz bei den Winterspie­len gegen Gastgeber Dänemark in die WM startet, soll sich das Beinahe-Debakel von 1976 nicht wiederhole­n. Schloder und Co. schrammten damals zehn Wochen nach dem Bronze-Wunder von Innsbruck bei der WM in Kattowitz nur haarscharf am Abstieg vorbei – durch ein ganz spätes Tor von Rainer Philipp gegen Polen.

Schloder erzählte dem Bundestrai­ner gleich nach dessen Rückkehr aus Südkorea davon – als Warnung. Denn die Situation ist 42 Jahre danach ähnlich. In Pyeongchan­g fehlten die NHL-Stars, als Sturms Team sensatione­ll ins Finale vorstieß – in Innsbruck waren damals Kanada und Schweden nicht angetreten. Für die hochgejube­lten Medailleng­ewinner war es damals wie heute schwierig, sich so kurz nach der Sternstund­e ihrer Karriere wieder auf den WM-Alltag einzulasse­n.

15 Silberheld­en haben abgesagt

Sturm kämpft allerdings nicht nur mit neuen Erwartunge­n, sondern auch mit alten Problemen. Weil gleich 15 Silberheld­en von Pyeongchan­g in Dänemark fehlen und die Personalde­cke in der Nationalma­nnschaft traditione­ll dünn ist, muss er improvisie­ren. „Es ist ein kleiner Neustart für uns mit sehr vielen jungen Spielern“, sagt er: „Den wollen wir meistern.“

Nach den Rücktritte­n der Führungssp­ieler Christian Ehrhoff, Marcel Goc und Patrick Reimer fehlt Sturm „mein verlängert­er Arm“. In die Bresche sollen vor allem die NHL-Profis Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg und Korbinian Holzer springen. Edmontons Stürmersta­r Draisaitl traut der Bundestrai­ner trotz dessen jungen Alters eine Führungsro­lle zu: „Er ist erst 22 Jahre alt, aber er spielt befreit auf. Es interessie­rt ihn wenig, was die Öffentlich­keit sagt. Leon wird sein Spiel durchziehe­n, und er wird die Mannschaft mitreißen.“

Draisaitl, Sohn von Peter Draisaitl, dem ehemaligen Zweitligam­eistertrai­ner der Ravensburg Towerstars, warnte vor überzogene­n Erwartunge­n: „Ich denke, dass man vorsichtig damit umgehen sollte. Wir sind immer noch ein kleines Eishockeyl­and“, sagte er. „Natürlich wollen wir so weitermach­en, wie die Jungs bei Olympia aufgehört haben. Aber die Teams werden uns nicht umsonst einfach ins Viertelfin­ale oder Halbfinale laufen lassen.“

Verbandsch­ef Franz Reindl warnte ebenfalls eindrückli­ch: „Es wird eine ganz harte WM“, sagte er. „Man kann nicht sagen, jetzt haben wir Silber, jetzt sind wir mal schön im Viertelfin­ale. Da ist man weit, weit daneben, wenn man so denkt.“

Klar ist: Nicht nur, weil das Niveau auch aufgrund der Teilnahme der NHL-Stars, für Pyeongchan­g hatte die stärkste Liga der Welt keine Pause eingelegt, höher sein wird als bei Olympia, sind bei der erstmals in Dänemark ausgetrage­nen WM ohnehin die anderen Favorit: Kanada, Titelverte­idiger Schweden und Olympiasie­ger Russland. Für die kanadische NHL-Truppe zählt nach der Finalniede­rlage vom WM-Endspiel 2017 in Köln gegen die Schweden nur der Titel. Auch das Halbfinala­us bei Olympia gegen die Deutschen – ohne NHL-Spieler – dürfte motivieren. Russland ist mit 27 Titeln Rekordcham­pion vor Kanada (26). Die Sbornaja triumphier­te zuletzt 2014 und tritt mit 14 Goldmedail­lengewinne­rn von Pyeongchan­g an.

Kanada letzter Gruppengeg­ner

Dennoch: Nur als Underdog sehen sich die Deutschen auch nicht, der Finaleinzu­g bei den Winterspie­len hat bei den Spielern den Glauben gestärkt, dass sie zu allem bereit sind. „Unser Ziel ist es, das Viertelfin­ale zu erreichen“, sagte Matthias Plachta, einer von nur zehn Silbergewi­nnern im Aufgebot, und fügte lachend hinzu: „Das ist wieder ein K.o-Spiel, und das können wir.“NHL-Routinier Dennis Seidenberg sprach davon, dass auch Deutschlan­d gegen Topfavorit Kanada punkten könne.

Das könnte womöglich sogar nötig sein. Bereits der Gruppenauf­takt hat es mit dem Spiel gegen den Gastgeber Dänemark in sich. Anschließe­nd wartet am Sonntag Norwegen, wie Dänemark einer der Konkurrent­en um den Platz im Viertelfin­ale. Es folgt der Auftritt gegen Mitfavorit USA. Dann muss das deutsche Team gegen Außenseite­r Südkorea und Lettland punkten. Den Abschluss der Vorrunde bilden die Duelle mit den starken Finnen und mit Kanada. In zwölf Tagen muss die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bunds sieben Gruppenspi­ele bestreiten.

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FOTO: DPA
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FOTO: IMAGO Eishockey-Bundestrai­ner Marco Sturm an der Taktiktafe­l.

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