Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Riester-Rente „zur Pflicht machen“
BERLIN - Walter Riester (SPD/ Foto: dpa), früherer Bundesarbeitsminister, sagt im Gespräch mit Tobias Schmidt, die Diskussion um das Rentenniveau lenke von den eigentlichen Herausforderungen ab.
Die Rentenkommission soll Wege zur Stabilisierung von Rentenniveau und -beiträgen aufzeigen. Ist das nicht unmöglich?
Dieser Auftrag führt in die Irre! Die Fixierung auf ein stabiles Rentenniveau ist falsch. Denn das Rentenniveau gilt nur für Durchschnittsverdiener, die 45 Jahre Beiträge gezahlt haben. Tatsächlich arbeiten inzwischen 40 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit, bei Einführung des Systems 1957 waren es fünf Prozent. Und wir haben einen gravierend gewachsenen Niedriglohnsektor, der sich durch die Digitalisierung noch ausweiten dürfte. Nur noch die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird nach Tarif bezahlt. Dass trotzdem das Rentenniveau als Maßstab für eine auskömmliche Rente genommen wird, lenkt von den eigentlichen Herausforderungen durch die Umwälzungen am Arbeitsmarkt ab.
Wo liegt für Sie die Lösung?
Zunächst gilt es, die Augen vor der Realität nicht zu verschließen. Die Zeit, in der Menschen Rente beziehen, ist von 9,9 Jahren bei Einführung des Systems über 16 Jahre zum Jahrtausendwechsel auf mittlerweile 20 Jahre angestiegen. Die herkömmliche gesetzliche Rente stößt an ihre Grenzen. Die Koppelung der Alterssicherung an Erwerbseinkommen muss ganz dringend ergänzt werden. Nur wenn die Menschen selbst Rücklagen bilden, kann das System stabilisiert werden. Schon heute werden 93 Milliarden Euro an Steuereinnahmen ins Rentensystem gepumpt, doppelt so viel wie vor 20 Jahren. Wer meint, so könnte es weitergehen und auf ein ewig kräftiges Wirtschaftswachstum setzt, ist naiv.
Wie ist der Kollaps zu verhindern?
Wir müssen die Menschen dazu bringen, Rücklagen zu bilden und selbst stärker vorzusorgen.
Die nach Ihnen benannte RiesterRente soll zur Pflicht werden?
Ja. Wir müssen die ergänzende Altersvorsorge zur Pflicht machen. Das mag sich brutal anhören, ist aber die Realität. Die Rentenkommission wird vermutlich den Mut dazu nicht aufbringen, das wäre höchst bedauerlich. Die Alternativen sind massive Altersarmut oder ein immenser Anstieg der Steuerzuschüsse, wenn die Rentenbeiträge nicht explodieren sollen. Die Große Koalition scheint nicht wirklich berechnet zu haben, was ihre Rentenpläne kosten würden.