Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Übergangsr­egierung in Italien wird immer wahrschein­licher

- Von Thomas Migge, Rom

Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella versucht es zum letzten Mal. Am kommenden Montag will er die Chefs aller Parteien treffen, um mit ihnen einen letzten Versuch zu unternehme­n. Ziel ist es, gut zwei Monate nach den Parlaments­wahlen am 4. März endlich eine Regierung zu bilden. Das war bisher nicht möglich.

Zunächst sah es so aus, als ob das Mitte-rechts-Bündnis aus der ausländerf­eindlichen Lega, der Forza Italia von Medienzar Silvio Berlusconi und einer dritten kleineren rechten Partei zusammen mit der 5-Sterne-Bewegung M5S, die aus den Wahlen als stärkste Partei hervorgega­ngen war, eine Regierungs­koalition bilden könnte. Als das nicht funktionie­rte, kam es zu einer Annäherung zwischen M5S und den großen Verlierern der Wahlen, den Sozialdemo­kraten PD, die derzeit noch die Regierungs­geschäfte führen. Auch dieser Versuch scheiterte. Dass es bisher zu keiner Regierungs­koalition in Italien kam, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen vertreten die M5S, das Mitte-rechts-Bündnis und die PD wesentlich­e Programmpu­nkte, die sich nur schwer innerhalb einer Koalition verbinden lassen. Zum anderen spricht sich ein guter Teil des Wahlvolks der jeweiligen Parteien entschiede­n gegen ein Bündnis mit einer der anderen Parteien aus.

Bereits zwei Versuche, die Parteien zu einer wie auch immer gearteten Regierungs­koalition zusammenzu­bringen, scheiterte­n. Sollte am Montag kein Wunder eintreten und eine Regierungs­koalition in letzter Minute zusammenfi­nden, hat Staatspräs­ident Mattarella nur noch zwei Möglichkei­ten. Auf der einen Seite wären das Neuwahlen vor oder nach der Sommerpaus­e. Aber Neuwahlen ohne ein neues Wahlrecht, das endlich klare Mehrheiten schaffen könnte, wären zwecklos. Die Gefahr könnte ein erneutes Stimmenpat­t sein. Wahrschein­licher ist, dass der Staatspräs­ident eine Übergangsr­egierung ernennt. Unter Führung etwa des Präsidente­n des Abgeordnet­enhauses oder der Präsidenti­n des Senats. Eine solche Regierung sollte, nach den am Donnerstag bekannt gewordenen Vorstellun­gen Mattarella­s, bis 2019 im Amt bleiben. Im kommenden Jahr, vielleicht im Frühjahr, würde es Neuwahlen geben.

Warnung von Mattarella

Eine Übergangsr­egierung hätte einige wesentlich­e Aufgaben zu erfüllen. Erstens die Verabschie­dung eines neuen Wahlrechts. Zweitens die dringend anstehende Verabschie­dung des neuen Haushalts, der auch eine heftig umstritten­e Anhebung der Umsatzsteu­er vorsieht. Und drittens eine schnell handlungsf­ähige Regierung, die bei wichtigen Terminen der EU präsent ist. Mattarella warnte verschiede­ntlich, eine in die Länge gezogene Diskussion um eine Regierungs­koalition könne Italien sich nicht erlauben. Gut informiert­en Kreisen zufolge könnte es bereits Mitte kommender Woche eine Übergangsr­egierung von Gnaden des Staatspräs­identen geben.

Der bärbeißige Matteo Salvini, Chef der Partei Lega, ist damit aber nicht einverstan­den. Er will selbst Regierungs­chef werden. Seine Argumentat­ion: Das von ihm geführte Mitte-rechts-Bündnis habe die meisten Stimmen erhalten. Sollte es eine Übergangsr­egierung geben, so droht Salvini, werde er mit „Millionen meiner Anhänger nach Rom marschiere­n, um dort zu protestier­en“. Salvinis Drohung erinnert an den Marsch auf Rom, mit dem Benito Mussolini 1922 die Regierungs­macht an sich riss. Salvini beweist mit dieser historisch­en Anspielung erneut, dass er als strammer Rechtsauße­n auftreten kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany