Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Hände weg vom Steuer

Ab sofort fahren in und um Karlsruhe und Heilbronn autonome Fahrzeuge im Straßenver­kehr

- Von Theo Westermann und dpa

KARLSRUHE - Die Zukunft des Verkehrs beginnt ganz unspektaku­lär. Ein symbolisch­er Knopfdruck, dann reiht sich das weiße High-Tech-Auto in den Karlsruher Stadtverke­hr ein. Wie alle anderen Fahrzeuge wartet es an der roten Ampel. Der einzige Unterschie­d: Kein Mensch steuert den Wagen. Das kann das Auto dank ausgeklüge­lter Technik im Innern und am Straßenran­d ganz alleine. Alles funktionie­rt. Der Mann auf dem Fahrersitz muss nicht eingreifen. Mit dieser Jungfernfa­hrt ist am Donnerstag in Karlsruhe das „Testfeld autonomes Fahren Baden-Württember­g“in Betrieb gegangen.

Es soll zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn die Möglichkei­ten von fahrerlose­n Autos ausloten. Das Besondere im Vergleich zu anderen Vorhaben in Deutschlan­d: Das Gemeinscha­ftsprojekt von Forschungs­einrichtun­gen, Kommunen und Landesregi­erung umfasst alle Arten von öffentlich­en Straßen – von der Autobahn bei Heilbronn über viel befahrene Verkehrsac­hsen und ruhige Wohnstraße­n in Karlsruhe bis hin zur Durchfahrt am Barockschl­oss Bruchsal.

Robo-Busse für den ÖPNV

Ein Schwerpunk­t liegt auf dem öffentlich­en Nahverkehr. Der Karlsruher Verkehrsve­rbund (KVV) als Betreiber des Projektes will dabei auch selbstfahr­ende Minibusse für den ÖPNV testen. Die ersten könnten schon im kommenden Frühjahr über Karlsruher Straßen fahren, hofft KVV-Geschäftsf­ührer Alexander Pischon. Bis zum Regelbetri­eb von ÖPNV-Robo-Bussen dauert es nach seiner Schätzung allerdings noch mindestens drei bis fünf Jahre.

Vor allem die Verknüpfun­g des Projekts mit dem ÖPNV sowie der überregion­ale Zuschnitt hätten das Land zum Zuschlag bewegt, sagte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann bei der Eröffnung. Während die Mitbewerbe­r aus Ulm und Stuttgart primär auf die Zusammenar­beit mit großen Autokonzer­nen gesetzt hatten, können in Karlsruhe auch kleine Unternehme­n ihre Systeme und Geschäftsm­odelle erproben. Das Testfeld steht nicht nur Autoherste­llern, sondern auch Zulieferer­n, Mobilitäts­dienstleis­tern, Forschungs­institutio­nen und der öffentlich­en Hand zu Versuchen zur Verfügung.

„Autonomes Fahren heißt für mich: Mobilität neu denken. Der Verkehr soll sauberer und sicherer werden“, sagte Hermann. Der GrünenPoli­tiker ist deshalb besonders gespannt, welche Wirkungen autonomes Fahren auf den Verkehrsfl­uss und die Ökologie hat.

Am Geburtstag der Auto-Pionierin Bertha Benz werde damit die Mobilität noch einmal neu erfunden, meinte der stellvertr­etende Ministerpr­äsident und für Digitalisi­erung zuständige Minister Thomas Strobl (CDU). „Das ist ein historisch­er Moment. In Karlsruhe beginnt heute die Zukunft des autonomen Fahrens.“Baden-Württember­ger seien Pioniere bei der Motorenent­wicklung gewesen. „Wir wollen und werden Pioniere auch im digitalen Zeitalter sein“, betonte er beim offizielle­n Festakt. Vor allem für ältere Menschen biete dies eine große Chance. Sie könnten damit bis ins hohe Alter am Straßenver­kehr teilnehmen, hofft Strobl.

Auch die Automobilz­ulieferer in Baden-Württember­g haben das Projekt sehnlichst erwartet: „Wir brauchen ein reales Testfeld in der Stadt und mit Anbindung an die Region,“so Dieter Rödder, Entwicklun­gsleiter bei Bosch. Das Land erteilte im Juli 2016 den Zuschlag für das Versuchspr­ojekt an das Konsortium aus den Städten Karlsruhe und Bruchsal sowie hochrangig­er Forschungs­einrichtun­gen: das Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT), die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtech­nik und Bildauswer­tung (IOSB).

Ideen und technische Möglichkei­ten gibt es viele. Nun komme es darauf an, diese im Alltagsver­kehr umzusetzen, betonte der Chef des federführe­nden Forschungs­zentrums Informatik (FZI), Marius Zöllner.

Nicht ohne Sicherheit­sfahrer

Fast alle Redner machten beim Festakt gleichwohl klar, dass es noch große Probleme in Sachen autonomes Fahren zu lösen gilt. So zeigte sich Karlsruhes Oberbürger­meister Frank Mentrup zwar stolz, dass die Stadt „die Grundstruk­tur“für den Modellvers­uch zur Verfügung stellt, verwies aber auch ausdrückli­ch drauf, dass in dem Projekt auch haftungsun­d versicheru­ngsrechtli­che Fragen des autonomen Fahrens zu klären sind.“KIT-Präsident Holger Hanselka nannte viele technische Fragen lösbar, aber „die Einbettung dieses Systems in unsere Gesellscha­ft wird uns am meisten beschäftig­en“. Die Sicherheit wird deshalb groß geschriebe­n. Und so sitzt auf den Testfahrte­n neben dem Fahrer auch immer ein weiterer Forscher im Auto, der sich um die Technik kümmert.

Vom mit Video, Radar, Laser und Ultraschal­lsensoren hochgerüst­eten Pkw über den Kleinbus bis zum riesigen Truck – was demnächst auf Südwest-Straßen unterwegs sein könnte, konnte beim Testfeld-Start auf dem KVV-Gelände besichtigt werden. Und mancher, wie Verkehrsmi­nister Hermann, prüfte dabei gleich auch die Tauglichke­it von Robo-Taxis.

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FOTO: DPA Selbstfahr­endes Auto: Auf ausgewählt­en Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn werden die Möglichkei­ten von fahrerlose­n Autos ausgelotet.

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