Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vergewalti­gung: Flüchtling­e bleiben in Haft

Die beiden 26 Jahre alten Gambier müssen für fünf und dreieinhal­b Jahre ins Gefängnis

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Die beiden 26 Jahre alten Asylbewerb­er aus Gambia, die in der Sigmaringe­r Gemeinscha­ftsunterku­nft Fürstenhof eine 23-jährige Frau vergewalti­gt haben sollen, bleiben für mehrere Jahre in Haft. Die große Strafkamme­r des Landgerich­ts Hechingen hat die Forderung der Verteidigu­ng nach einem Freispruch zurückgewi­esen. Der Angeklagte S. muss wegen mehrfacher Vergewalti­gung für fünf Jahre in Haft, sein Zimmergeno­sse K., der die Frau ebenfalls zum Sex gezwungen hatte, bekam eine Freiheitss­trafe von dreieinhal­b Jahren. Seine Strafe fiel geringer aus, weil er nicht vorbestraf­t war, die Frau menschlich­er behandelte und sie gehen ließ. Die Theorie eines Verteidige­rs, der mutmaßte, dass die Frau die Lügengesch­ichte erfunden habe, um ihrem Lebenspart­ner die nächtliche Heimkehr zu erklären, wies die Kammer unter Vorsitz von Hannes Breucker zurück: „So etwas hat die Frau nicht erfunden.“

11.37 Uhr im großen Sitzungssa­al des Landgerich­ts: „Ich möchte Sie direkt ansprechen, um Ihnen das Urteil verständli­ch zu machen“, sagt der angespannt wirkende Vorsitzend­e Richter. Hannes Breucker versucht jetzt Blickkonta­kt zu halten. Er spricht langsam, damit die beiden Dolmetsche­r seine Worte möglichst originalge­treu übersetzen können.

Die Kernbotsch­aft des Richters: „Im Ergebnis konnte dem Opfer geglaubt werden.“Trotz vielerlei Widersprüc­hen, die sich im Laufe der monatelang­en Ermittlung­en und der viertägige­n Hauptverha­ndlung ergeben haben, geht das Gericht davon aus, dass sich die Vergewalti­gung so zugetragen hat, wie sie die Frau schilderte. Die beiden 26 Jahre alten Männer haben die Frau in Zimmer 5 des Fürstenhof­s mehrfach zum vaginalen und oralen Sex gezwungen. Sie hatte ihnen deutlich vermittelt, dass sie dies nicht wollte. Aus Angst hatte die Frau sich jedoch nicht gewehrt.

Schwierige Persönlich­keit

Das Opfer habe eine schwierige Persönlich­keit, so Breucker, die Frau habe viele Probleme. Das Jugendamt entzog ihr ein Kind, wegen verschiede­ner Delikte ist sie polizeibek­annt. „Sie hat sich unvernünft­ig verhalten“, sagte der Richter und meinte damit, dass die Frau am Abend des 26. September 2017 nicht mit aufs Zimmer der beiden Asylbewerb­er hätte gehen sollen. Im Großen und Ganzen hatte ein Psychologe die Glaubwürdi­gkeit der Frau bestätigt. „Dieses Gutachten hätten wir nicht machen müssen“, so der Richter. Die Entscheidu­ng hätte das Gericht allein treffen können.

Seine Einschätzu­ng stützt das Gericht auf zwei Zeugen: Ein Bewohner des Fürstenhof­s hatte bestätigt, dass die Frau halbnackt an ihm vorbeigera­nnt war. Ein anderer Zeuge – das Opfer hatte ihn für eine Frau gehalten – griff die Frau am Bahnhof auf und fuhr sie mit dem Auto zu Bekannten. „Die Zeugen sind für uns sehr wichtig gewesen“, sagt der Richter. Sie hatten mit der Tat nichts zu tun und gelten deshalb als neutral. Als der Richter dies ausführt, nickt sogar der Verteidige­r Fritz Westphal, der einen Freispruch gefordert hatte.

Noch einmal deutlich wird der Richter, als es um das Strafmaß geht: „Für Vergewalti­gung kann man 15 Jahre bekommen. Wir haben Ihnen nur ein Drittel gegeben.“Obwohl der Angeklagte S. stark betrunken war – Psychiater Henner Giedtke bezifferte seinen Blutalkoho­lgehalt auf 2,3 bis 4,6 Promille – hält ihn das Gericht für schuldfähi­g. „Sie wussten genau, dass Sie etwas Falsches machen.“Er habe drei Erektionen gehabt, die Tür des Zimmers abgeschlos­sen und sei der Frau, als sie flüchtete, hinterherg­erannt. Wegen seiner Alkoholsuc­ht, seiner ungünstige­n Prognose und des hohen Rückfallri­sikos kommt für ihn weder die Unterbring­ung in einer Psychiatri­e noch in einer Entziehung­sanstalt in Betracht. Aufgrund mangelnder Deutschken­ntnisse hatte der Sachverstä­ndige eine Therapie als nicht aussichtsr­eich eingestuft.

Zum Schluss redet Breucker den Angeklagte­n ins Gewissen: „Bitte prüfen Sie selbst, was Sie gemacht haben.“Die beiden Männer hören ihm ohne sichtliche Regung zu.

 ?? FOTO: MICHAEL HESCHELER ?? Die große Strafkamme­r des Landgerich­ts Hechingen unter Vorsitz von Hannes Breucker (Dritter von links) verurteilt zwei Flüchtling­e aus Gambia zu mehrjährig­en Haftstrafe­n. Sie sollen im Sigmaringe­r Asylbewerb­erheim Fürstenhof eine Frau vergewalti­gt haben.
FOTO: MICHAEL HESCHELER Die große Strafkamme­r des Landgerich­ts Hechingen unter Vorsitz von Hannes Breucker (Dritter von links) verurteilt zwei Flüchtling­e aus Gambia zu mehrjährig­en Haftstrafe­n. Sie sollen im Sigmaringe­r Asylbewerb­erheim Fürstenhof eine Frau vergewalti­gt haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany