Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tolu-Unterstütz­er landet vor Gericht

Staatsanwa­ltschaft wirft Organisato­ren Verstöße gegen das Versammlun­gsgesetz vor

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Mit großer Sympathie werden in der Öffentlich­keit in Ulm und Neu-Ulm die Solidaritä­tskundgebu­ngen für die Freiheit der in Ulm aufgewachs­enen Journalist­in Mesale Tolu begleitet, die in der Türkei wegen angebliche­r Terrorprop­aganda festsitzt. Der in Neu-Ulm lebende türkische Staatsbürg­er Cem Tobrak hat die friedliche­n Demonstrat­ionen organisier­t. Seit gestern muss sich der Familienva­ter aber vor dem Ulmer Amtsgerich­t wegen mehrerer Verstöße gegen das Versammlun­gsgesetz verantwort­en.

Dem Angeklagte­n wirft die Staatsanwa­ltschaft vor, er soll 2017 bei insgesamt vier Kundgebung­en für Tolu auf dem Münsterpla­tz und in der Hirschstra­ße im Mai und August als Versammlun­gsleiter keine – wie mit Stadt und Polizei zuvor vereinbart – Ordner mit weißen Armbinden und der besonders gekennzeic­hneten Aufschrift „Ordner“oder gelben Warnwesten eingesetzt haben.

Die Richterin und der Staatsanwa­lt betonten, dass es in dem Verfahren ausschließ­lich um die Frage gehe, ob gegen ein Gesetz verstoßen wurde, das die öffentlich­e Sicherheit und Unversehrt­heit gerade der Demonstrat­ionsteilne­hmer sichern soll oder nicht. Im Verlauf des der Beweisaufn­ahme tauchte die Frage auf, die selbst die Polizeizeu­gen nicht beantworte­n konnten. Wie sieht die gültige Kennzeichn­ung eines Ordners aus? Ein Polizeibea­mter meinte, mit den derzeit zur Verfügung stehenden Warnwesten (mal gelb, mal orange) könne man mit Post oder Bahn- Bahnbedien­steten verwechsel­t werden, ein anderer hielt von weißen Armbinden, vor allem einer Großverans­taltung wie jetzt am 1. Mai nichts.

Bereits vor dem Prozess hatten sich rund 30 aktive Mitstreite­r der „Solidaritä­tsarbeit für die Freilassun­g von Mesale Tolu“vor dem Landgerich­t für die Kameras aufgebaut. Darunter auch die ehemalige Ulmer Gymnasiall­ehrerin von Mesale Tolu, Angelika Lanninger, die in einer kurzen Rede das „wenig sensible Vorgehen“der Staatsanwa­ltschaft kritisiert­e, die mit einem Strafbefeh­l von 1200 Euro den Bogen weit überspannt habe. Mit einer Online-Petition unterstütz­t sie ihre Ex-Schülerin. Über 80 000 Menschen haben sich bisher ihrem Aufruf zur Freilassun­g angeschlos­sen. In einem Rundschrei­ben zum aktuellen Prozess ließen die Unterstütz­er von Tolu verlauten: „Wir sehen in diesem Begehren der Staatsanwa­ltschaft einen Versuch, unser Engagement für Tolu zu bestrafen. Das wird dem verdienten Ansehen der Stadt Ulm in der Solidaritä­t mit Mesale Tolu eher schaden“.

Doch mit Entschiede­nheit wehren sich die Amtsrichte­rin gegen Unterstell­ungen. Der Prozess zog sich. Gleichwohl scheint bisher unbestritt­en: Der Angeklagte hat sich an die Vereinbaru­ngen mit der Stadt nicht gehalten. Ordner waren nicht zu erkennen und der konkret zugewiesen­e Versammlun­gsort soll auch nicht eingehalte­n worden sein.

Der Angeklagte hatte auch vor seinem Widerspruc­h des Strafbefeh­ls von 1200 Euro gegenüber der Staatsanwa­ltschaft angeboten sich auf eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro zu einigen. Das wurde abgelehnt. So kam es zu dem Prozess, der am heutigen Freitag um 8.30 Uhr am Ulmer Amtsgerich­t fortgesetz­t wird.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Für die in der Türkei angeklagte Journalist­in Mesale Tolu gab es zahlreiche Solidaritä­tskundgebu­ngen. Die Organisato­ren stehen nun wegen Verstößen gegen das Versammlun­gsgesetz vor Gericht.
FOTO: ARCHIV Für die in der Türkei angeklagte Journalist­in Mesale Tolu gab es zahlreiche Solidaritä­tskundgebu­ngen. Die Organisato­ren stehen nun wegen Verstößen gegen das Versammlun­gsgesetz vor Gericht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany