Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Tolu-Unterstützer landet vor Gericht
Staatsanwaltschaft wirft Organisatoren Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vor
ULM - Mit großer Sympathie werden in der Öffentlichkeit in Ulm und Neu-Ulm die Solidaritätskundgebungen für die Freiheit der in Ulm aufgewachsenen Journalistin Mesale Tolu begleitet, die in der Türkei wegen angeblicher Terrorpropaganda festsitzt. Der in Neu-Ulm lebende türkische Staatsbürger Cem Tobrak hat die friedlichen Demonstrationen organisiert. Seit gestern muss sich der Familienvater aber vor dem Ulmer Amtsgericht wegen mehrerer Verstöße gegen das Versammlungsgesetz verantworten.
Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, er soll 2017 bei insgesamt vier Kundgebungen für Tolu auf dem Münsterplatz und in der Hirschstraße im Mai und August als Versammlungsleiter keine – wie mit Stadt und Polizei zuvor vereinbart – Ordner mit weißen Armbinden und der besonders gekennzeichneten Aufschrift „Ordner“oder gelben Warnwesten eingesetzt haben.
Die Richterin und der Staatsanwalt betonten, dass es in dem Verfahren ausschließlich um die Frage gehe, ob gegen ein Gesetz verstoßen wurde, das die öffentliche Sicherheit und Unversehrtheit gerade der Demonstrationsteilnehmer sichern soll oder nicht. Im Verlauf des der Beweisaufnahme tauchte die Frage auf, die selbst die Polizeizeugen nicht beantworten konnten. Wie sieht die gültige Kennzeichnung eines Ordners aus? Ein Polizeibeamter meinte, mit den derzeit zur Verfügung stehenden Warnwesten (mal gelb, mal orange) könne man mit Post oder Bahn- Bahnbediensteten verwechselt werden, ein anderer hielt von weißen Armbinden, vor allem einer Großveranstaltung wie jetzt am 1. Mai nichts.
Bereits vor dem Prozess hatten sich rund 30 aktive Mitstreiter der „Solidaritätsarbeit für die Freilassung von Mesale Tolu“vor dem Landgericht für die Kameras aufgebaut. Darunter auch die ehemalige Ulmer Gymnasiallehrerin von Mesale Tolu, Angelika Lanninger, die in einer kurzen Rede das „wenig sensible Vorgehen“der Staatsanwaltschaft kritisierte, die mit einem Strafbefehl von 1200 Euro den Bogen weit überspannt habe. Mit einer Online-Petition unterstützt sie ihre Ex-Schülerin. Über 80 000 Menschen haben sich bisher ihrem Aufruf zur Freilassung angeschlossen. In einem Rundschreiben zum aktuellen Prozess ließen die Unterstützer von Tolu verlauten: „Wir sehen in diesem Begehren der Staatsanwaltschaft einen Versuch, unser Engagement für Tolu zu bestrafen. Das wird dem verdienten Ansehen der Stadt Ulm in der Solidarität mit Mesale Tolu eher schaden“.
Doch mit Entschiedenheit wehren sich die Amtsrichterin gegen Unterstellungen. Der Prozess zog sich. Gleichwohl scheint bisher unbestritten: Der Angeklagte hat sich an die Vereinbarungen mit der Stadt nicht gehalten. Ordner waren nicht zu erkennen und der konkret zugewiesene Versammlungsort soll auch nicht eingehalten worden sein.
Der Angeklagte hatte auch vor seinem Widerspruch des Strafbefehls von 1200 Euro gegenüber der Staatsanwaltschaft angeboten sich auf eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro zu einigen. Das wurde abgelehnt. So kam es zu dem Prozess, der am heutigen Freitag um 8.30 Uhr am Ulmer Amtsgericht fortgesetzt wird.