Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Langweilig können sie es nicht
Jürgen Klopp treibt seine Fußballideen auf die Spitze und führt Liverpool ins Finale
ROM (dpa/SID/fil) - Selten sah man Jürgen Klopp nach einer Niederlage so gut gelaunt wie in dieser Nacht von Rom. „Es war aufregender, als ich gehofft hatte“, sagte der Coach des FC Liverpool mit einem breiten Grinsen. Nach dem 2:4 (1:2) bei der AS Roma überwog bei ihm die Freude über Liverpools ersten Finaleinzug in der Champions League seit 2007. „Das ist so unglaublich. Der Charakter, den wir gezeigt haben, der Fußball, den wir gespielt haben – das Finale ist zu 100 Prozent verdient“, schwärmte Klopp, als Coach der Vater des Erfolgs, nach dem nervenaufreibenden Rückspiel beim AS Rom: „Ein unfassbares Duell. Wie ging es noch mal aus?“
2:4 (2:1) aus Sicht der Reds war es ausgegangen, dieses zweite verrückte Spiel dieser beiden Mannschaften, die Fußball vor allem als kompromissloses Ballerspiel verstehen. War Real Madrid gegen FC Bayern München, das andere Halbfinale, das hochklassige Duell zweier Mannschaften, die versuchten, ihren Gegner zu entscheidenden Fehlern zu zwingen, gehörten bei Liverpool und der Roma Fehler zur Idee. Und am Ende kam – auch dank des 5:2 im Hinspiel – die wagemutigere Mannschaft weiter. Die vom wagemutigsten Trainer von allen trainiert wird. 13 Tore in einem Halbfinale sind ein neuer Rekord in der Königsklasse. Die Reds haben im laufenden Wettbewerb 46 Treffer erzielt, so viele wie kein
ANZEIGE Team zu diesem Zeitpunkt zuvor. „Langweilig können wir es wohl nicht“, sagte Reds-Kapitän Jordan Henderson.
„Wir werden brennen“
In Kiew fordern Klopp und die Liverpooler nun am 26. Mai Real Madrid heraus, den zwölfmaligen Gewinner des Wettbewerbs, der nach seinem dritten Erfolg in Serie lechzt. „Sie sind erfahren und wir nicht“, gestand Klopp – der der Erfahrung Leidenschaft entgegensetzt: „Wir werden brennen, denn es ist viel schöner, ein Finale zu gewinnen.“
In seiner Zeit an der Anfield Road ist ihm das bislang noch nicht gelungen. Und natürlich, verriet der 50Jährige, würden die Gedanken an das verlorene Ligapokal- und EuropaLeague-Finale vor zwei Jahren nun irgendwie stärker präsent sein. Irritieren lassen will sich Klopp davon aber nicht, schließlich verfügt er mittlerweile über ganz andere Waffen. Mohamed Salah etwa, den Wunderstürmer aus Ägypten, der frühere Romanista, der im Hinspiel zwei Tore gegen den Ex-Club erzielt hatte und als einer gilt, der der erste Weltfußballer werden kann, der nicht Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo heißt. Sogar der AS Rom gratulierte Salah: „Es tut so weh, dass der Traum (…) vorbei ist“, schrieb die Roma auf Twitter, „aber du wirst in neuen Farben dabei sein. Viel Glück im Finale, Mo Salah.“
Ein Garant für Liverpools Höhenflug war – trotz der vielen, bei Klopp immer einkalkulierten, Gegentore – auch Keeper Loris Karius. Der Finaleinzug sei „zu keinem Zeitpunkt wirklich in Gefahr“gewesen. „Ein überragendes Gefühl, dass wir jetzt im Finale stehen und den Titelverteidiger herausfordern“, sagte der gebürtige Biberacher. „Hoffentlich krönen wir die Saison in Kiew mit dem Titel. Wir werden Real Madrid das Leben schwer machen. Die Vorfreude auf den 26. Mai ist riesig.“
Die Roma war dagegen wütend auf den Schiedsrichter. „Es waren zwei Elfmeter, die uns nicht gegeben wurden, mit dem Videoassistenten wäre das anders“, sagte Romas Sportdirektor Monchi verärgert. „Der italienische Fußball muss seine Stimme erheben, weil ich denke, dass all das nicht normal ist.“Coach Eusebio Di Francesco klagte nach dem Spiel über die verpasste Chance für „eine zweite magische Nacht“.
Di Francescos Team hatte zuvor im Viertelfinale den FC Barcelona in Rom düpiert. „Der Blitz schlägt nie zweimal an der gleichen Stelle ein“, kommentierte die Zeitung „Corriere della Sera“. Gleichzeitig lobten italienische Medien den Kampfgeist und die „moralische Stärke“des Teams: „Rom fliegt raus, aber erhobenen Hauptes.“