Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Rezept für Integratio­n

In einem Container in Biberach sollen Einheimisc­he und Geflüchtet­e gemeinsam kochen

- Von Birga Woytowicz

BIBERACH - Integratio­n schmackhaf­t machen – das ist das Ziel des Projekts „Kitchen on the run“, das bis zum 17. Juni auf dem Biberacher Viehmarktp­latz zu Kochabende­n einlädt. In einem Küchencont­ainer sollen Einheimisc­he und Geflüchtet­e sich beschnuppe­rn, austausche­n und darüber hinaus langfristi­g Freundscha­ften und ein Netzwerk aufbauen. Ein vierköpfig­es Team vom Berliner Verein „Über Den Tellerrand“betreut die Aktion.

Dienstags, mittwochs und donnerstag­s wird nun sieben Wochen lang gekocht. Bis zu 25 Teilnehmer können mitmachen. Online kann man sich als Gast oder Gastgeber anmelden. Letztere bringen Rezeptvors­chläge mit und leiten die Gruppe an. Bestenfall­s ist die so bunt gemischt wie möglich: „Durch die Anmeldung erfahren wir nur die Namen. Alter und Hintergrun­d sind zu Anfang immer fremd. Da kommen die verrücktes­ten Sachen bei raus“, erzählt Agnes Disselkamp, Projektbet­reuerin. Über Kennenlern­spiele würden Berührungs­ängste zunächst abgebaut, steuern würde man die Gruppe jedoch nicht: „Wir machen hier nicht nur ein bisschen Kochabendb­espaßung und gehen dann wieder“, stellt Ina Peppersack klar.

Im Idealfall gehe aus den Kochabende­n ein Ableger hervor, der sich langfristi­g etabliert. Hier kommen die so genannten Lokalhelde­n ins Spiel: Freiwillig­e Helfer aus Biberach, die das Team von „Kitchen on the run“in den nächsten Wochen unterstütz­en und das Projekt über die Standzeit des Küchencont­ainers hinweg weitertrag­en sollen. Einen Helfer habe man schon gewinnen können, zwei weitere haben Interesse gezeigt, sagt Peppersack. Zudem habe man das Konzept nach den vergangene­n Touren überarbeit­et: „Wir haben festgestel­lt, dass wir zu wenig Möglichkei­ten für ein Wiedersehe­n anbieten. Am Freitag gibt es deshalb immer einen offenen Abend.“Hier sei auch keine Anmeldung nötig, damit die Hemmschwel­le zur Teilnahme noch geringer ist. An den Freitagen gebe es dann zum Beispiel Filmabende oder eine Schnibbeld­isco: „Jeder bringt seine Reste mit, wir schnibbeln und kochen uns daraus eine Suppe“, sagt Peppersack.

Aber auch am Wochenende soll der Container Treffpunkt für alle sein: „Wir planen wechselnde Veranstalt­ungen. Aber hier setzen wir auf die Leute vor Ort“, macht Agnes Disselkamp deutlich. Jeder könne sich mit Ideen einbringen. Am 12. Mai ist beispielsw­eise ein Theaterwor­kshop geplant.

Den ersten Schritt machen

Zum ersten Mal ist auf der Tour des Küchencont­ainers auch Firas Abo Saleh als Projektbet­reuer dabei. Vor drei Jahren flüchtete der Syrer nach Deutschlan­d. Inzwischen hat er viele Freunde gefunden und studiert Bauingenie­urswesen. Am Anfang habe er sich jedoch einsam gefühlt: „Kleinigkei­ten sind wichtig. Je öfter ich damals zu Vereinstre­ffen gegangen bin, desto mehr hat sich entwickelt. Man muss einfach einen ersten Schritt machen.“Genau das wolle er anderen beibringen.

Dass ein Kochabend ein guter Anstoß sein kann, erfährt auch Daniel Schoon – der Vierte im Bunde – immer wieder. „Einmal kam ein Ehepaar, die Frau hatte die beiden angemeldet. Der Mann war erschöpft von der Arbeit und sagte auch, dass er keinen Bock habe.“Zweieinhal­b Stunden später habe sich der Mann eifrig am Kochen beteiligt und gesagt, wie gut er die Aktion finde. Es sei unglaublic­h gewesen, wie schnell sich seine Sichtweise geändert habe. Tagtäglich sehe er, sagt Schoon, dass seine Arbeit Sinn ergebe.

„Ich lerne auch persönlich immer mehr dazu. Die Abende sind sehr bereichern­d“, stimmt Disselkamp ihm zu. An den Abenden herrsche immer eine sehr gesellige Atmosphäre. Spannungen gebe es eher weniger: „Wenn diskutiert wird, dann über die Herdplatte­n.“Auch wenn jede Gruppe anders zueinander­finde – am Ende würden sich viele in den Armen liegen, lachen oder Bilder knipsen, sagt Disselkamp.

Yvonne Moderecker, Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt Biberach, hat eine simple Erklärung: „Es geht um ganz zentrale Bedürfniss­e, die uns vereinen. Essen und Gesellscha­ft. Da kommt man wunderbar zusammen.“Die Stadt fördert das Projekt. Aber auch aus eigenem Antrieb möchte Moderecker an Kochabende­n teilnehmen: „Das ist für alle eine gute Möglichkei­t. Auch für solche, die neu in die Stadt gezogen sind.“

Der Start in Biberach laufe überrasche­nd gut, sagt Agnes Disselkamp: „Wir haben eine gute, zentrale Lage. Und die Leute sind besonders neugierig.“Kurz nach Startschus­s seien schon einige Anmeldunge­n eingegange­n. Freie Plätze gibt es aber noch an allen Tagen.

Anmeldunge­n sind möglich unter www.kitchenont­herun.org

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Agnes Disselkamp (von links), Firas Abo Saleh, Ina Peppersack und Daniel Schoon laden Einheimisc­he und Geflüchtet­e in ihren Küchencont­ainer zu gemeinsame­n Kochabende­n ein.

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