Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulm schafft zweiten Blitz-Anhänger an

Die Stadt setzt beim Umgang mit Temposünde­rn auf eine flexible Anlage

- Von Sebastian Mayr

ULM - Fast fünf Millionen Euro Bußgelder haben Verkehrssü­nder im vergangene­n Jahr an die Stadt Ulm bezahlt. Allein eine Anlage deckte 12 500 Geschwindi­gkeitsvers­töße auf. Diese Anlage hat die Stadt im vergangene­n Mai gekauft. Es ist ein semistatio­närer Blitzer, der in einem Anhänger für acht bis zehn Tage an einem Ort abgestellt wird und dort das Tempo kontrollie­rt. Wegen der guten Erfahrunge­n, die die Ulmer mit dem Gerät gemacht haben, soll die Verwaltung ein weiteres anschaffen, das hat der Hauptaussc­huss entschiede­n. Kostenpunk­t: 240 000 Euro. Das sind noch einmal 60 000 Euro mehr, als die Verwaltung im Vorjahr für den Blitzer im Anhänger ausgegeben hatte.

Ums Abzocken oder Geld verdienen gehe es nicht, betonten verschiede­ne Stadträte in der Sitzung. Michael Joukov (Grüne) rechnete sogar vor, dass die Stadt gar nicht so viel durch die Bußgelder verdiene, weil ja auch Personalko­sten anfielen. Die freilich halten sich beim Blitz-Anhänger in Grenzen. Die Anlage wird aufgestell­t und wieder abgebaut, wenn der Akku zur Neige geht. In der Zwischenze­it muss sich kein Mitarbeite­r darum kümmern.

Das ist einer der Vorteile, die Rainer Türke, der Leiter der städtische­n Sicherheit, Ordnung und Gewerbe, sieht. Er ergänzt: „Wir können die Anlage flexibel an verschiede­nen Orten einsetzen.“Zum Beispiel zum

Schuljahre­sbeginn vor Schulen und Kindergärt­en, aber auch nachts an Strecken, die Fahrer für Angebertou­ren mit hohem Tempo und heulenden Motoren nutzen. Gerade bei Einsätzen in der Olgastraße und in der Frauenstra­ße habe der alte Anhänger-Blitzer hohe Einnahmen in die Kasse gespült.

Dort, am Altstadtri­ng, setzt die Stadt ihre Blitzer besonders häufig ein. An manchen Tagen gibt es vorab

Absprachen mit der Polizei, einem Dekra-Gutachter und einer Autowerkst­att. Bei den Kontrollen werden manche aufgemotzt­en Autos direkt aus dem Verkehr gezogen. „Da sind wir sehr erfolgreic­h“, berichtete Türke. „Das spricht sich in der Szene herum – vor allem, wenn das schöne Auto stillgeleg­t wird.“

Auch wegen der fast schon traditione­ll vielen Baustellen in der Stadt sei die semistatio­näre Messanlage

sinnvoll. Wird ein Straßenabs­chnitt gesperrt oder ändern sich Tempolimit­s, kann der Blitz-Anhänger anderswo aufgestell­t werden. Zudem kann die Stadt auf Beschwerde­n von Anwohnern reagieren und den Wagen an den entspreche­nden Orten zum Einsatz bringen.

Türke erinnert daran, dass sich bei stationäre­n Blitzern wie auf dem Blaubeurer Ring ein Gewohnheit­seffekt einstelle: Manche Fahrer bremsen vor der Messanlage ab und beschleuni­gen dann wieder. Wenn die Geschwindi­gkeit an vielen unterschie­dlichen Orten in der Stadt gemessen werde, würden Raser noch stärker abgeschrec­kt.

Die SPD-Fraktionsv­orsitzende Dorothee Kühne schränkte ein, dass es nicht nur Raser seien, die zu schnell unterwegs sind: „Die Leute fahren in Gedanken ihre üblichen Wege. Wir brauchen eine mentale Unterstütz­ung des alltäglich­en Verkehrsve­rhaltens.“Deshalb plädierte sie dafür, neben den Blitzern auch die digitalen Anzeigen mit sogenannte­n Raser-Smileys einzusetze­n. Diese zeigen je nach Geschwindi­gkeit ein lachendes oder wütendes Gesicht, ohne dass gleich Bußgelder kassiert werden. „Das eine geht nicht ohne das andere“, sagte sie. Dass nicht jeder Temposünde­r ein Raser ist, belegen auch die Zahlen der Stadt. „Wir haben nur wenige Verstöße im hohen Bereich“, berichtete Rainer Türke.

Als einen kritischen Punkt hatte Martin Rivoir (SPD) auch die Neue Mitte ausgemacht, wo abends fast jeder schneller fahre als erlaubt. Doch wenn einer der Blitz-Anhänger dort aufgestell­t werden würde, wäre er von beiden Seiten gut zu erkennen. Der gewünschte Effekt könnte kaum erzielt werden. Dort setze man Busse mit Blitz-Anlagen ein, entgegnete Rainer Türke.

Die Stadträte sprachen sich einstimmig dafür aus, die neue Anlage anzuschaff­en.

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ARCHIVFOTO: THOMAS HECKMANN So sieht der Blitz-Anhänger aus, den die Stadt bereits im Einsatz hat. Hier misst er an der Nordtangen­te die Geschwindi­gkeit.

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