Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kabel, Kamera und Schnarchmikrofon
Im Schlaflabor der Fachkliniken Wangen steht die Nachtruhe auf dem Prüfstand
WANGEN - Seit einer gefühlten Stunde liege ich wach. Augen auf, Augen zu. An meinem Körper sind 20 bunte Kabel befestigt. Ich drehe mich zur Seite, die Kabel an meinem Kopf sind lästig. Ich finde einfach nicht in den Schlaf. Doch ich muss jetzt schlafen, denn mein Schlaf wird heute Nacht getestet. Ich bin eine von acht Patienten im Schlaflabor in den WaldburgZeil Fachkliniken Wangen.
Etwa 20 Minuten hat es gedauert, bis Nachtschwester Annette Huber alle Kabel an der richtigen Stelle angebracht hatte. Allein an meinem Kopf sind für eine Messung der Hirnströme, das sogenannte EEG, 15 Elektroden angebracht. Annette Huber klebt zwei Elektroden neben meine Augen. Anhand der Augenbewegung kann sie später erkennen, in welcher Schlafphase ich mich befinde. In der sogenannten REM-Schlafphase bewegen sich die Augen zum Beispiel schnell. REM steht für Rapid Eye Movement, also schnelle Augenbewegungen. In dieser Schlafphase träumen wir.
Voll verkabelt
Jeweils zwei Elektroden an meinen Beinen zeichnen meine Beinbewegungen auf, und ein Schlauch in meiner Nase soll zeigen, ob ich regelmäßig durch die Nase atme. Am meisten irritiert mich aber das kleine Mikrofon, das mir Annette Huber an den Hals klebt. „Damit hören wir, ob sie schnarchen oder nicht“, erklärt sie und lächelt. Außerdem hängt eine Infrarotkamera über meinem Bett, die mich die ganze Nacht filmt. Für mich fühlt es sich komisch an, bei etwas so Intimem wie beim Schlafen dauerhaft beobachtet zu werden. Bei anderen Patienten ist das anders, erzählt Huber. „Normalerweise sind hier ja nur Menschen mit Schlafstörungen. Die Patienten sind froh, dass ihnen jetzt endlich geholfen wird. Außerdem beruhigt es sie, dass jemand auf sie aufpasst. Sehr viele schlafen bei uns besser als daheim.“
Die Nachtschwester steckt die Enden aller Kabel in die sogenannte Head-Box, die am Kopfende über meinem Bett angebracht ist. Dieses Kästchen empfängt alle Daten, eine weitere Box übermittelt sie in Echtzeit an einen Computer, der in einem anderen Raum steht. Trotz der vielen Technik erinnert der Raum, in dem ich schlafe, eher an ein kleines Hoteloder ein modernes Krankenhauszimmer. Während ich schlafe, überwacht Annette Huber meine Werte und die der anderen Patienten. Sie sitzt in einem Raum, um sie herum acht Rechner, für jeden Patienten einer. „Die Tätigkeit wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas monoton. Das ist es aber gar nicht. Es gibt jede Nacht etwas Neues. Mir wird nie langweilig“, sagt sie.
Atemaussetzer in der Nacht
Jährlich kommen etwa 1600 Menschen ins Wangener Schlaflabor. Die Patienten leiden an den unterschiedlichsten Schlafproblemen. Am häufigsten werden Menschen mit nächtlichen Atemstörungen untersucht. Eine typische Krankheit, die Patienten ins Schlaflabor führt, sei Schlafapnoe, erklärt Professor Christian Kähler, Chefarzt des Lungenzentrums in den Fachkliniken Wangen, zu dem auch das Schlaflabor gehört. Bei dieser Krankheit verengen sich die Atemwege im Liegen so sehr, dass die Atmung aussetzt. Die Atemaussetzer dauern so lange, dass der Körper Alarm schlägt: Der Schlafende wacht kurz auf und holt mit einem lauten Geräusch tief Luft. Durch die regelmäßigen Atemaussetzer haben die Betroffenen ein höheres Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. „Außerdem leiden die Patienten oft an Tagesmüdigkeit, wodurch sie gereizt, schlecht gelaunt und häufiger in Unfälle verwickelt sind“, erklärt Professor Kähler.
Mit mir ist auch ein 56-jähriger Mann aus der Nähe von Wangen im Schlaflabor. Der Lkw-Fahrer leidet unter Schlafapnoe. „Ich habe selbst gemerkt, dass ich tagsüber unausgeschlafen und etwas mürrisch bin. Dazu kam, dass meine Frau gesagt hat, ich mache komische Geräusche im Schlaf“, erzählt er. Nachdem die Schlafapnoe festgestellt worden war, durfte er nicht mehr arbeiten. Zu groß sei die Gefahr gewesen, dass er während einer Fahrt im Lkw in Sekundenschlaf verfalle. Er habe dann eine Maske bekommen, die er jede Nacht über der Nase und dem Mund tragen müsse. Durch diese wird Luft mit etwas Druck in den Mund geblasen, so dass sich der Schlund nicht verengt. „Seit ich die Maske trage, habe ich keine Atemaussetzer mehr. Ich schlafe viel besser und bin auch nicht mehr so müde“, erzählt er. Knapp drei Wochen sei er krankgeschrieben gewesen. „Jetzt bin ich nur nochmal zur Kontrolle hier im Schlaflabor. Es wird getestet, ob die Maske und das Gerät, das die Luft pumpt, richtig für mich sind, oder ich eine andere Maske brauche“, erklärt der Lkw-Fahrer.
Ein weites Feld
Der Fall des 56-Jährigen sei nicht selten. „Wir haben oft Leute, die der Partner darauf aufmerksam macht, dass sie im Schlaf extrem laut schnarchen oder seltsame Geräusche machen“, sagt Annette Huber. Oft könne man dann Atemstörungen feststellen. Aber nicht jeder, der einen unruhigen Schlaf habe, ist automatisch ein Fall fürs Schlaflabor. Denn nicht immer hängt die Schlafstörung mit Atemproblemen zusammen. Auch die Neurologie und die Psychiatrie beschäftigen sich mit Schlafstörungen. „Schlafprobleme können auch ein Symptom einer psychischen Erkrankung sein. Eine Depression zum Beispiel“, erklärt Professor Juan Valdés-Stauber, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik, Neurologie und Psychiatrie in Ravensburg.
Aber auch viele andere, die an keiner Krankheit leiden, machen sich das Einschlafen unnötig schwer, so Professor Valdés-Stauber. „Wer Schlafhygiene konsequent in seinen Alltag einbaut, wird seltener von Schlafproblemen gequält“, sagt er. Drei Dinge seien dabei essentiell: Rituale vor dem Schlafengehen einzuhalten, gesunde Maßnahmen zu pflegen und schädliche Maßnahmen schon rechtzeitig am Tag zu vermeiden. „Ein Ritual könnte sein, die Vorbereitung auf das Schlafengehen immer gleich zu gestalten. Zum Beispiel immer zur selben Zeit die Zähne zu putzen“, sagt er. Förderlich für einen gesunden Schlaf sei es, 45 Minuten vor dem Zubettgehen nicht mehr Fernsehen zu schauen, den Raum komplett zu lüften und komplett abzudunkeln. Hinderlich sei es zum Beispiel, im Bett fernzusehen oder Serien auf dem Laptop zu schauen, spätabends Sport zu machen und nachmittags nach 15 Uhr Kaffee zu trinken, sagt Professor Valdés-Stauber.
„Guten Morgen. Ich habe gesehen, dass Sie wach sind“, sagt ein Mitarbeiter des Schlaflabors, öffnet dir Türe und betritt das Zimmer. Werner Lankes, Stationsleiter des Schlaflabors, hat Annette Huber inzwischen abgelöst. Lankes fragt nicht, wie ich geschlafen habe. Warum auch. Er weiß es wahrscheinlich besser als ich. Direkt nach dem Aufstehen fühle ich mich müde und nicht so erholt wie sonst. An den Gedanken, dass ich permanent über die Kamera beobachtet werde, habe ich mich schnell gewöhnt. Nach einigen Minuten hatte ich auch das Schnarchmikrofon vergessen. Vielmehr machte mir die ungewohnte Situation mit den vielen bunten Kabeln um mich herum zu schaffen, durch die ich mich eingeengt fühlte.
Umso überraschter bin ich, als mir Dr. Bettina Müller, Leiterin des Schlaflabors, die Ergebnisse der Aufzeichnungen präsentiert. Ich hätte messtechnisch sehr gut geschlafen, sagt sie. „Sie sind sehr schnell tief eingeschlafen und nur zweimal kurz aufgewacht.“Ebenfalls zweimal war ich in dieser Nacht im REM-Schlaf, habe also geträumt. Auch die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung seien normal gewesen. Ich habe regelmäßig geatmet, und geschnarcht habe ich auch nicht.
Die meisten Patienten verbringen zwei Nächte im Labor. Ich darf nach einer Nacht wieder gehen und freue mich auf die nächste – ohne Kabel, Kamera und Schnarchmikrofon.