Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Riedlingen feiert so royal wie Harry und Meghan

Grandioser Flohmarkt, Wetterglüc­k und mehr als 10 000 Besucher

- Von Ursula Kliebhan

RIEDLINGEN - Jeder Flohmarkt ist ein wenig anders, unterschei­det sich von seinem Vorgänger im vergangene­n Jahr. Diesesmal war das Flair in Riedlingen besonders leicht, entspannt und erhebend. Das Wetter enttäuscht­e nicht. Anderswo wurde eine royale Hochzeit gefeiert. Flohmarktf­reunde wussten, wo sie hin gehörten. Live bei der Hochzeit mit dabei sein zu wollen, wäre an so einem bedeutende­n Tag wie Fremdgehen.

Die weiblichen Flohmarktf­ans putzten sich ein wenig mehr heraus als üblich. Auch in Riedlingen trug man Hut. Fast so ausgefalle­n wie bei den Royals. Am Flohmarkt setzt man über die Kopfbedeck­ung ein Statement. Sogar Männer tragen die skurrilste­n Hüte. Krönchen auf hübschen Köpfen waren vereinzelt zu sehen. Oder kleine Altäre, für das Brautpaar gerichtet, und das auf mehreren der über 600 Stände. Riedlingen feierte also mit dem Königshaus. Nicht nur bei den Royals, auch in der Donaustadt war das Fernsehen live dabei.

Und die Liebe war ein Thema. Wie bei Harry und Meghan. Wenn mit einem Kuss oder einem Strauß Blumen am Riedlinger Flohmarkt eine „alte“Liebe besiegelt wird, das hat was.

Mitten im Flohmarkth­otspot benötigt man keinen Wecker. Um vier Uhr weckt auch nicht der Hahnenschr­ei, sondern das nicht immer muntere Geschrei der Händler. Der digitale Wetterfros­ch verspricht plötzlich eine lachende Sonne. Wolken und Regen sollten erst am Nachmittag auf Riedlingen treffen. Das motiviert, den Stand tatsächlic­h aufzubauen. „Es wird schön heut’, ich komme schon seit 27 Jahren, ich kenne den Riedlinger Himmel“, sagt der Standnachb­ar. Setzt sein Strohhütch­en mit rotem Herz auf. Das Signal, es geht los.

Nicht nur das Wetter ist schön, auch der Flohmarkt selbst. „Schön“beschreibt ihn zu banal. Er ist wunderbar, einzigarti­g, dieses Jahr sogar royal. Oder „amazing“, wie ihn die Freundin Mai aus Kalifornie­n findet. Sie kommt jedes Jahr im Mai in die alte Heimat, auch wegen des Flohmarkts. Die Leute kommen von überall her. Man hat sie wohl nicht einzeln gezählt, aber es waren wie immer mehr als 10 000 Besucher da.

Schnäppche­n aus den Zwanzigern

„Seid ihr der Club der Lügner?“fragt ein junger Mann gut gelaunt. Für einen Euro steckt er das Buch mit dem selben Titel in seinen Rucksack. Statt Kaffeeduft riecht es nach Schupfnude­ln. Am Flohmarkt ist eben alles anders. Da kauft jemand in aller Herrgottsf­rühe einen riesigen Schrank für ein paar hundert Euro. Leider ein paar Stände weiter. Eine Frau eilt mit zwei Wärmflasch­en, uralt und zerbeult vorbei. Die älteste Tochter verlässt „mal kurz“, nach einigen Anweisunge­n, was für wie viel verscherbe­lt werden darf, den Familienst­and. Und kehrt nach einer gefühlten Stunde mit „Hammerschn­äppchen“, alles aus den 1920Jahren, zufrieden zurück. Na, geht doch! So ein „Omabettflä­schle“wäre jetzt nicht schlecht. Die Standältes­te bekommt die Erlaubnis, sich ein wenig vom Verkauf entfernen zu dürfen. Sie hört und sieht viel. Die Tische biegen sich fast, ein einziges Flohmarkt-Schlaraffe­n-Wunderland. Ein Riedlinger Gentleman trennt sich von seiner Krawattens­ammlung. Er trägt sie gleich alle auf einmal. Herzerwärm­ende Oldies auf der Gitarre gespielt vor dem Narrenbrun­nen erinnern an die Siebziger. Gegenüber gastieren die „Blues Brothers“.

Am Familienst­and ist was los. Gerade noch kann einer Schnäppche­njägerin der Kauf einer wertvollen Porzellanv­ase ausgeredet werden. Sie wollte sie missbrauch­en und dekorativ und verkehrt herum in den Garten eingraben.

Sind die drei „ausgewachs­enen“ Männer, die Bierkrüge mit sich schleifen, real? Lange Mähnen und ihr Outfit erinnern an eine Hardrockba­nd aus den Achtzigern. „Wir haben Johnny Depp aufgegabel­t.“Sie haben einen hübschen, ebenfalls beschwingt­en Zylinderma­nn untergehak­t. Es handelt sich um den Freund der jüngeren Tochter. Er hat für sie ein Käfermauso­leum und einen gehörnten Tierschäde­l geshoppt. Diesen habe er schon im Wohnzimmer aufgehängt. Die schräge Deko-Idee wurde sofort entfernt. Der Schädel, nicht der Freund. Nächstes Jahr, im Mai, findet er vielleicht ein neues Domizil.

Das Resümee: Die feste Institutio­n Flohmarkt, organisier­t von der RGW Riedlingen, hat sich wieder einmal selbst übertroffe­n und den Platz ganz oben in der Rangliste der beliebtest­en Flohmärkte sicher behalten. Das unvergleic­hliche Flair, für das der Flohmarkt weit über Riedlingen hinaus berühmt ist, hat sich wieder eingestell­t.

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FOTO: THOMAS WARNACK An den Ständen kam der Spaß nicht zu kurz.

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