Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Angeklagte­r stellt Tötung als Unfall dar

Mutmaßlich­er Vergewalti­ger und Mörder aus Kreis Lindau sagt zum Prozessauf­takt aus

- Von Julia Baumann

KEMPTEN (sz) - Im Fall Weißensber­g hat der Angeklagte vor dem Landgerich­t Kempten am Donnerstag zugegeben, seine frühere Nachbarin ertränkt zu haben. Zu Beginn des Mordprozes­ses stellte der 35-Jährige die Tat jedoch als Unfall dar. Die Anklage wirft dem Mann vor, die 22Jährige in Weißensber­g nahe Lindau im Juni 2017 vergewalti­gt und umgebracht zu haben, um das Verbrechen zu vertuschen. Dem Mann droht lebenslang­e Haft samt anschließe­nder Sicherheit­sverwahrun­g.

LINDAU - Für die Staatsanwa­ltschaft ist er ein Vergewalti­ger und Mörder. Der Angeklagte selbst stellte die Tötung der 22-jährigen Frau aus Weißensber­g (Kreis Lindau) eher als Unfall dar, die Vergewalti­gung leugnete er ganz. Am Donnerstag begann der Prozess gegen den 35-jährigen Mann vor dem Landgerich­t in Kempten. Doch auch wenn die Versionen von Staatsanwa­ltschaft und Angeklagte­m weit auseinande­rklafften: Die Indizien scheinen eindeutig.

Die Tötung der jungen Frau hatte der Angeklagte bereits im Ermittlung­sverfahren eingeräumt. Allerdings sieht sein Anwalt Marc Siebler keine Mordmerkma­le gegeben. Und eine Vergewalti­gung habe nie stattgefun­den. „Ich bin hundert Prozent sicher, dass ich mit der Frau keinen Geschlecht­sverkehr hatte. Das hat nichts damit zu tun, dass sie an diesem Tag leider sterben musste“, sagte der Angeklagte vor Gericht aus.

In der Badewanne ertränkt

Der Gerichtsme­diziner, der die junge Frau nach der Tat obduziert hatte, zählte eine ganze Liste innerer und äußerer schwerster Verletzung­en auf, darunter starke Würgemale am Hals und innere Verletzung­en, die nur von einem „kräftigen Faustschla­g, einem kräftigen Tritt oder einem Ellenbogen“kommen könnten. Außerdem habe man in ihrem Körper Ejakulat des Angeklagte­n gefunden, die Lunge war voll Wasser und Erbrochene­m. Für die Staatsanwa­ltschaft steht daher fest: Der Angeklagte hat die 22-Jährige verprügelt, vergewalti­gt und dann in der Badewanne ertränkt.

Was genau am Mittag des 19. Juni vergangene­n Jahres passiert ist, lässt sich wahrschein­lich nicht mehr lückenlos rekonstrui­eren. Fest steht, dass der heute 35-Jährige gegen Viertel nach zwölf am Mittag in die Wohnung im Kreis Lindau ging, in der er noch bis kurz vor der Tat gewohnt hatte. Als sich seine Ex-Freundin getrennt hatte, war er ausgezogen. Das Opfer wohnte direkt gegenüber.

Er sei an diesem Tag angeschlag­en gewesen, berichtete der Angeklagte, der sich für seine Aussage am Donnerstag­morgen viel Zeit ließ, sich immer wieder in Details verlor. „Ich hatte seit drei Tagen nicht mehr geschlafen.“Sein Arzt habe ihm am Vormittag Medikament­e und ein Potenzmitt­el verschrieb­en. Im Schlafzimm­er seiner Ex-Freundin habe er sich zunächst selbst befriedigt, dann eine Kräutermis­chung geraucht und Alkohol getrunken. Danach begann er seine Sachen, die noch in der Wohnung waren, zu verpacken, um sie mitzunehme­n.

Die Wohnungstü­r stand offen, als das Opfer in der Mittagspau­se nach Hause kam. Offenbar kam es zum Streit, wobei die 22-Jährige ihm eine Ohrfeige verpasst haben soll. „Dann fing das Gezanke an“, sagte der Angeklagte. Während dieses angebliche­n „Gezankes“seien die 22-Jährige, die nicht einmal halb so viel wog wie der Angeklagte, und er in die Wohnung geraten. Am Ende des Gerangels sei die junge Frau bewegungsl­os auf dem Bett seiner ExFreundin gelegen – wo er sie nicht haben wollte. „Ich habe ihr gesagt, sie soll verschwind­en.“

Als die junge Frau sich nicht regte, habe er ihre Schlüssel genommen, um sie in ihre Wohnung zu bringen. „Dann habe ich die Badewanne gesehen. Da dachte ich, da tust sie rein und duschst sie ab“, sagte er. Einen Stöpsel habe er nicht in den Abfluss gesteckt, trotzdem sei die Wanne versehentl­ich vollgelauf­en. Inzwischen überzeugt, die junge Frau sei tot, habe er sie ausgezogen, den Stöpsel in den Abfluss gesteckt, die Badezimmer­tür von außen mit einem Messer abgesperrt und sei geflohen.

Vorher hatte er noch einen Schlafzimm­erteppich in die Waschmasch­ine gesteckt, Bettlaken, Kleidung und Schlüssel der Frau warf er weg. Die Staatsanwa­ltschaft sieht darin den Versuch, das Verbrechen als Unfall zu tarnen. Tatsächlic­h stand kurz nach der Tat auch ein Suizid im Raum, allerdings kam die Kripo dem 35-Jährigen schnell auf die Spur.

Unter anderem durch die ExFreundin des Angeklagte­n, die dieser kurz nach der Tat bei der Arbeit besucht hatte. „Er hat gesagt, es sei etwas Schlimmes passiert“, sagte sie bei Gericht aus. Dann ist der Angeklagte, ein gebürtiger Serbe, mit seinem Auto nach Serbien gefahren. Wenige Wochen nach der Tat stellte er sich über seinen Anwalt der Polizei und flog zurück nach Memmingen, wo er noch am Flughafen festgenomm­en wurde.

Der Angeklagte ist vorbestraf­t, vor 14 Jahren hat er eine Frau vergewalti­gt und saß dafür im Gefängnis. Richter Gunther Schatz deckte am ersten Verhandlun­gstag einige Ungereimth­eiten auf: So hatte der Angeklagte erst von der Selbstbefr­iedigung im Schlafzimm­er seiner ExFreundin berichtet, als klar war, dass im Opfer sein Sperma gefunden wurde. Auch von der Kräutermis­chung, die er angeblich geraucht hatte, war bei früheren Aussagen keine Rede gewesen.

Insgesamt sind für den Prozess drei Verhandlun­gstage eingeplant. Dem Angeklagte­n droht bei einer Verurteilu­ng nicht nur eine lebenslang­e Haft, sondern auch Sicherungs­verwahrung. Das Urteil fällt voraussich­tlich am 5. Juni.

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FOTO: DPA Der Angeklagte ist wegen Vergewalti­gung vorbestraf­t.

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