Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Eine „Aufklärungsflut“erwartet den Bürger
Die DSGVO macht Behörden viel Arbeit – Experte sieht Probleme bei kleinen Gemeinden
RAVENSBURG - Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gilt ab sofort auch für Behörden und öffentliche Stellen. Das betrifft Finanzämter und Führerscheinstellen, Rathäuser und Jobcenter. Für die Bürger heißt das: Sie werden viel lesen müssen. Bei jedem Amtsgang und bei jedem Antrag im Internet werden sie darüber aufgeklärt, was mit ihren Daten geschieht und wie lange sie gespeichert werden.
Und Informationen sammeln die Behörden reichlich. „Im gesamten Verwaltungsleben ist man auf personenbezogene Daten angewiesen“, erklärt Alexander Kozel, zuständiger Referent beim baden-württembergischen Städtetag. „Egal ob bei Abfallgebühren, der Übernahme von Bankkonten, Kindergartenanmeldungen oder Eintragungen auf dem Standesamt: Es gibt keinen Kontakt zwischen Verwaltung und Bürgern, der nicht datenschutzrelevant wäre.“
Kozel sieht die Städte dafür gut gewappnet, das Niveau des Datenschutzes sei in Deutschland schon vorher hoch gewesen. Auch haben die großen und mittelgroßen Städte bereits einen entsprechenden Beauftragten, den die DSGVO vorsieht. Allerdings sei die Rechtssicherheit einiger Punkte der neuen Verordnung noch unklar. Gemeinsam mit dem Landesdatenschutzbeauftragten wolle man jedoch Klarheit schaffen. Eine „Ungewissheit, wie sich die Umsetzung wirklich entwickelt“, herrsche daher.
Vorteile für die Bürger
Nathalie Münz, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Landkreistags Baden-Württemberg, glaubt, die Umsetzung der DSGVO könne auch zu einer „Aufklärungsflut“führen. Doch die Informationskanäle wie Hinweisblätter in der KFZ-Zulassungsstelle oder Datenschutzhinweise im Internet sollen laut Münz ein „Mehr zugunsten des Bürgers“bringen. Die jüngsten Rückmeldungen der Behörden an den Landesverband würden zeigen, dass die Mitarbeiter gut aufgestellt seien. Seit dem Herbst des vergangenen Jahres habe man sich auf die DSGVO vorbereitet. „Damit stellen wir sicher, dass die Daten, die wir weitergeben und die wir intern verarbeiten, im Sinne des Bürgers auch rechtlich abgesegnet sind.“Unternehmen sind nervös deswegen. Umfragen zeigen, dass sich nur ein Viertel der Firmen ausreichend vorbereitet sieht. Bei Verstößen könnten hohe Strafen auf sie zukommen, bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes.
Für Behörden gilt dies nicht. „Im Vergleich zur freien Wirtschaft gibt es ein bisschen mehr Ruhe, da keine Bußgelder drohen“, sagt StädtetagsReferent Kozel. Schadensersatzanforderungen können dennoch erhoben werden bei nachlässigem Umgang mit den Daten. „Einige Städte haben daher Angst vor Abmahnanwälten, die sie verklagen könnten.“
Kay-Uwe Martens, Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, teilt diese Befürchtung nicht. „Die Schadensersatzpflicht gab es bisher schon“, erklärt Martens, der auch das Kommunale Netzwerk Datenschutz leitet. Wahrscheinlicher als Abmahnungen sei für Behörden „die Gefahr von Beanstandungen oder gar Anordnungen durch den Landesdatenschutzbeauftragten“.
Ein Brief des Beauftragten bringt laut Martens „ziemliche Unruhe“in eine Behörde. Das könne vor allem für kleinere Kommunen ein Problem sein. „Mein Eindruck war, dass die rund 1000 kleineren Gemeinden im Land sich nicht so intensiv um den Datenschutz gekümmert haben. Wenn sie bei Null anfangen, haben sie ein großes Problem“, so Martens.
Kristina Fabijancic-Müller, Sprecherin des Gemeindetags BadenWürttemberg, schätzt die Situation anders ein. „Die Behörden bereiten sich bereits seit Längerem gründlich auf die neue Datenschutzgrundverordnung vor“, sagt sie. „Dennoch wird in den Städten und Gemeinden in den letzten Wochen genau überprüft, ob die bisherigen Maßnahmen zum Datenschutz gegebenenfalls noch ergänzt werden müssen.“
Klagen aus den Gemeinden seien bisher nicht gekommen, lediglich „einige Nachfragen, die dann aber offensichtlich auch mithilfe unserer Handreichung geklärt werden konnten“. Für die Bürger, so Fabijancic-Müller, wird sich nicht viel ändern. „Sie werden in der nächsten Zeit allerdings auch von ihrem Rathaus vermehrt schriftliche Hinweise bekommen, zu welchen Zwecken ihre Daten verwendet werden.“