Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Einfaches Deutsch statt holpriger Fachsprache
Die Finanzämter wollen für den Normalbürger verständlich werden – Viele Formulare sind voller weithin unbekannter Fachbegriffe
BERLIN - Wenn alles normal verläuft werden die Finanzminister der Bundesländer am heutigen Freitag in Goslar revolutionäres verkünden. Formulare und Amtsschreiben der Finanzämter sollen verständlicher werden. An die Stelle holpriger Formulierungen im Fachjargon soll eine verständliche Ausdrucksweise rücken.
Zeit wird es, denn die Verwaltungssprache versteht kaum ein Normalbürger. Das zeigt ein schönes Beispiel aus der Anleitung zum Ausfüllen der Einkommensteuererklärung 2017: „Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung greift nicht, wenn daneben Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit Steuerabzug erzielt werden und die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, sowie die positive Summe der Progressionseinkünfte jeweils den Betrag von 410 Euro nicht übersteigen“, heißt es darin.
Lutz Lienenkämper will solche Formulierungen nicht mehr lesen müssen. Der Finanzminister Nordrhein-Westfalens (NRW) hat deshalb eine Initiative der Bundesländer gestartet. „Durch eine verständliche Sprache und einen modernen Aufbau der Schreiben wird der Kontakt zum Finanzamt wesentlich leichter“, sagt der CDU-Politiker. Zum Dienstleistungsverständnis der Behörde gehörten allgemeinverständliche Verwaltungsentscheidungen.
Damit tun sich nicht nur die Finanzämter bisher schwer, sondern beinahe alle Verwaltungen. Für viele Bürger ist das ein Problem. Nach Einschätzung des Netzwerks Leichte Sprache ist etwa jeder siebente Bürger nicht in der Lage, längere zusammenhängende Texte zu verstehen. Mit extrem vereinfachten Formulierungen wollen darauf spezialisierte Büros auch diesen Menschen den Zugang zu Informationen ermöglichen. „Durch die UN-Behindertenkonvetion zur Inklusion hat das Thema in Deutschland Fahrt aufgenommen“, sagt Annika Nietzio, die im Vorstand des Netzwerks ist.
Selbst das Bundesfinanzministerium greift auf seinem Internetportal auf deren Ratschläge zurück. Auf einmal erscheint das Steuersystem ganz einfach. „Steuern muss man für das bezahlen, was man bekommt oder kauft“, heißt es in einer Broschüre für Schulkinder. „Ich würde mir von den Behörden wünschen, dass sich mehr an das Thema herantrauen“, sagt Nietzio. Das spare auch Arbeit, weil Widersprüche ausbleiben, wenn der Inhalt von Schreiben verstanden wird.
Ganz einfach werden die offiziellen Briefe sicher nicht werden. Aber NRW macht bereits vor, wie es besser geht. 600 Formulare seien im Sinne einer bürgerfreundlichen und verständlichen Sprache bereits überarbeitet worden. Auch der Bescheid zur Einkommensteuer wurde bereits in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern übersichtlicher gestaltet. Den neuen Musterbescheid fanden die Steuerzahler bei einer Befragung in diesem März gut. Doch da findet sich auch der Haken. Es liegt oft nicht in der Hand einzelner Länder oder Kommunen, Verwaltungsschreiben zu gestalten.
Deshalb müssen gemeinsame Absprachen getroffen werden, vor allem auch mit dem Bund. Ob die Finanzminister sich alle mit dem Musterbescheid aus NRW anfreunden können, wird die Sitzung in Goslar am Freitag zeigen.
Das käme einer Abkehr einer jahrhundertalten Tradition der Verwaltungsbehörden gleich. Denn die Sprache der Behörden war nach Einschätzung der Sprachwissenschaftlerin Michaela Blaha lange Zeit auch Ausdruck der Macht. Mancherorts scheine diese herablassende Haltung noch immer zu bestehen. Mancher Bescheid sei sprachlich nicht an den Empfänger, sondern an dessen Anwälte oder aber an Richter in einem Gerichtsverfahren gerichtet, kritisiert die Forscherin.