Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit dem Smartphone auf historisch­en Spuren

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BERLIN (epd) - Ein Chatbot geht den Spuren des früheren jüdischen Lebens im Scheunenvi­ertel und am Kurfürsten­damm in Berlin nach. Via Smartphone können Nutzer mit der Anwendung Marbles of Remembranc­e (Murmeln der Erinnerung) kommunizie­ren und anhand von Kurznachri­chten, Audiodatei­en, Fotos und Videos die Spuren jüdischer Kinder erkunden, die von 1933 bis 1945 in Berlin lebten.

Das Projekt entstand bei der Veranstalt­ung Coding da Vinci, ein sogenannte­r Hackathon, der IT-Experten und Kulturinst­itutionen zusammenbr­ingt. „Der Nutzer soll tief in die Geschichte eintauchen“, sagt Nina Hentschel, Teil des vierköpfig­en Teams, das Marbles entwickelt­e. „Um damit auch junge Menschen zu erreichen, muss man Geschichte­n erzählen.“

Durch die rund einstündig­e Tour von der August- bis zur Oranienbur­ger Straße führt das jüdische Mädchen Majan Freier - Tochter von Recha Freier, die mit der Kinder- und Jugend-Alijah Tausenden bei der Emigration aus Nazi-Deutschlan­d half. Majan stellt in Bild und Ton etwa die Jüdische Mädchensch­ule und das jüdische Waisenhaus Ahawah vor, zeigt, wo Freunde wohnten und in welche Synagoge sie gingen.

„Man lernt viele kleine Geschichte­n kennen“, sagt die Architekti­n und Weltkultur­erbe-Expertin Hentschel. Viele sind traurig, denn oft handeln sie davon, wer wann wohin deportiert wurde. Der Bot weist auf Stolperste­ine hin und schreibt dem Nutzer: „Ich kann dir auch etwas über Anne Frank erzählen.“

Der Zugang zur interaktiv­en Stadtführu­ng ist einfach: Man installier­t den Messaging-Dienst Telegram auf dem Smartphone und fügt darin den Kontakt @MarblesBot hinzu. Die Anwendung bietet dann drei Funktionen: Unter „Take a tour!“führen wahlweise Majan Freier oder Isaak Behar durch ihr Viertel.

Durch Einschalte­n der Livestando­rtübertrag­ung („Around me!“) erhalten Nutzer quasi überall Informatio­nen über Stolperste­ine und früher dort lebende jüdische Kinder. Unter „Help!“können dem Bot Fragen gestellt werden, die Antworten zieht dieser aus der Datenbank des Internatio­nalen Suchdienst­es (ITS) in Bad Arolsen, der die Schicksale von Verfolgten des NS-Regimes aufklärt.

Hentschel recherchie­rte dafür auf tschechisc­hen und niederländ­ischen Webseiten und analysiert­e Daten des United States Holocaust Memorial Museum und der Internatio­nalen Holocaust Gedenkstät­te Yad Vashem. Bislang gibt es nur eine englischsp­rachige Betaversio­n der App, noch 2018 soll aber die Übersetzun­g folgen. Zielgruppe sind 15- bis 35-Jährige.

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