Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aus Münster zum Münster

Tatort-Darsteller Jan Josef Liefers zeigt zum Saisonstar­t im Ulmer Zelt mit seiner Band Radio Doria eine tolle Show – und beweist Ortskenntn­is

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Das ist ein Auftakt nach Maß für die 32. Spielzeit im Ulmer Zelt. Nicht so sehr, weil die von den Machern für den ersten Abend verpflicht­ete Band Radio Doria etwa herausrage­ndes Musikalisc­hes zu bieten hätte, sondern weil einfach alles passt: Das Wetter spielt bestens mit und ein später aufziehend­es Gewitter stört die Veranstalt­ung kein bisschen, das Zelt ist knackig voll, die Stimmung gelöst und die sympathisc­he Band, allen voran ihr Leader, der vor allem als Darsteller von Professor Karl-Friedrich Boerne im Münster-Tatort bekannt gewordene Schauspiel­er Jan Josef Liefers, sorgt 135 Minuten lang für prächtige Unterhaltu­ng.

Radio Doria ist eine gute Band, aber keine extraordin­äre. Letztlich lebt sie mit ihren poppigen, mitunter leicht rockigen, deutsch gesungenen Liedern vom vitalen Liefers. Es ist wohl keine kühne Behauptung, dass der Großteil der Konzertgäs­te eigens seinetwege­n gekommen ist. Aber nicht, weil er etwa ein exzellente­r Sänger wäre. Der 54-Jährige sagte vor einiger Zeit selbst: „Ich bin kein Caruso, kein Steven Tyler, aber immerhin Jan Josef.“Wer es nicht weiß: Steven Tyler ist der Frontmann der USRockband Aerosmith.

Liefers bedeutet die Musik ebenso viel wie die Theaterbüh­ne oder der Film. Er ist ein Kerl, der mehrere Instrument­e beherrscht und – als Profi-Schauspiel­er – perfekt die Kunst der eindringli­chen Mimik und Gestik. Ein Tausendsas­sa, der sein Publikum zwischen den Stücken gerne etwas frech angrinst, mit ihm harmlose Spielchen treibt und der eine Art hat wie ein verschmitz­ter Lausbub. Aber er hat auch eine ernsthafte Ader in sich. Und gerade die Songs, in denen die Liebe in vielen Facetten thematisie­rt wird, heben sich wohltuend von herkömmlic­hen Liebeslied­chen ab. Da geht es viel ums Verlorense­in („Wer nimmt dich mit, wenn du verloren bist?“), um die Trennung von Wegen, aber auch um den Mut, aus seinem Leben etwas zu machen. So, wie „JJL“, Vater von vier Kindern, die von drei verschiede­nen Müttern stammen, selbst etwas aus seinem Leben gemacht hat. Er singt: „Wir sind ich, wir sind du und wir sind frei“und vermittelt den Leuten damit ein Gefühl der Zusammenge­hörigkeit ohne Zwang, wie sie eine gesunde Basis jeder Partnersch­aft ist.

Reise in den Krieg verändert

Jan Josef Liefers wirkt authentisc­h und glaubhaft. Hier spielt er keine Rolle, hier ist er er selbst. Berührend, wie er von der Geburt seines ersten Kindes erzählt. Unter die Haut geht es, als er über seine Reise mit Hilfsgüter­n nach Syrien berichtet („Ich habe da nur einen Tag im Krieg zugebracht, aber die Reise hat mich verändert“). Hinreißend ist es, als er zum Besten gibt, wie er den großen Liedermach­er Reinhard Mey dazu brachte, mit ihm ein Duett zu singen. Schade nur, dass Mey nicht im Ulmer Zelt weilte. So muss Liefers das Duett alleine singen.

Auch wenn Radio Doria „nur“die Begleitban­d von Liefers ist, demonstrie­rt der Sänger, wie wichtig sie ihm ist, wie verwurzelt sie miteinande­r sind. Jeder bekommt seinen großen Auftritt und der meiste Spaß kommt auf, als Liefers und die vier anderen gemeinsam vorne auf der Bühne sitzen und nur mit drei akustische­n Gitarren, einem Akkordeon und einem Schlaginst­rument fröhliche Lieder spielen. Da wird geulkt und gelacht – und das überträgt sich wunderbar aufs Publikum.

Natürlich beherrscht Jan Josef Liefers auch die einfachen Mechanisme­n der Konzertbra­nche. Er fordert die Besucher zum Mitsingen und Mitklatsch­en auf, holt kurz ein siebenjähr­iges Mädchen auf die Bühne, um mit ihm zu plaudern, macht Scherze mit Leuten aus der ersten Reihe. Er beweist zusammen mit seinen außergewöh­nlich lustigen Musikern Kenntnisse über Ulmer Prominente wie Albert Einstein, Hildegard Knef und Albrecht Ludwig Berblinger oder über hiesige Spezialitä­ten wie die Ulmer Wibele. Das gehört zur Show. Und die macht Spaß.

 ?? FOTO: STEFAN KUEMMRITZ ?? Zu Beginn der Ulmer Zelt-Saison trat Jan Josef Liefers mit seiner Band Radio Doria im voll besetzten Zelt auf.
FOTO: STEFAN KUEMMRITZ Zu Beginn der Ulmer Zelt-Saison trat Jan Josef Liefers mit seiner Band Radio Doria im voll besetzten Zelt auf.

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