Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Aus Münster zum Münster
Tatort-Darsteller Jan Josef Liefers zeigt zum Saisonstart im Ulmer Zelt mit seiner Band Radio Doria eine tolle Show – und beweist Ortskenntnis
ULM - Das ist ein Auftakt nach Maß für die 32. Spielzeit im Ulmer Zelt. Nicht so sehr, weil die von den Machern für den ersten Abend verpflichtete Band Radio Doria etwa herausragendes Musikalisches zu bieten hätte, sondern weil einfach alles passt: Das Wetter spielt bestens mit und ein später aufziehendes Gewitter stört die Veranstaltung kein bisschen, das Zelt ist knackig voll, die Stimmung gelöst und die sympathische Band, allen voran ihr Leader, der vor allem als Darsteller von Professor Karl-Friedrich Boerne im Münster-Tatort bekannt gewordene Schauspieler Jan Josef Liefers, sorgt 135 Minuten lang für prächtige Unterhaltung.
Radio Doria ist eine gute Band, aber keine extraordinäre. Letztlich lebt sie mit ihren poppigen, mitunter leicht rockigen, deutsch gesungenen Liedern vom vitalen Liefers. Es ist wohl keine kühne Behauptung, dass der Großteil der Konzertgäste eigens seinetwegen gekommen ist. Aber nicht, weil er etwa ein exzellenter Sänger wäre. Der 54-Jährige sagte vor einiger Zeit selbst: „Ich bin kein Caruso, kein Steven Tyler, aber immerhin Jan Josef.“Wer es nicht weiß: Steven Tyler ist der Frontmann der USRockband Aerosmith.
Liefers bedeutet die Musik ebenso viel wie die Theaterbühne oder der Film. Er ist ein Kerl, der mehrere Instrumente beherrscht und – als Profi-Schauspieler – perfekt die Kunst der eindringlichen Mimik und Gestik. Ein Tausendsassa, der sein Publikum zwischen den Stücken gerne etwas frech angrinst, mit ihm harmlose Spielchen treibt und der eine Art hat wie ein verschmitzter Lausbub. Aber er hat auch eine ernsthafte Ader in sich. Und gerade die Songs, in denen die Liebe in vielen Facetten thematisiert wird, heben sich wohltuend von herkömmlichen Liebesliedchen ab. Da geht es viel ums Verlorensein („Wer nimmt dich mit, wenn du verloren bist?“), um die Trennung von Wegen, aber auch um den Mut, aus seinem Leben etwas zu machen. So, wie „JJL“, Vater von vier Kindern, die von drei verschiedenen Müttern stammen, selbst etwas aus seinem Leben gemacht hat. Er singt: „Wir sind ich, wir sind du und wir sind frei“und vermittelt den Leuten damit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ohne Zwang, wie sie eine gesunde Basis jeder Partnerschaft ist.
Reise in den Krieg verändert
Jan Josef Liefers wirkt authentisch und glaubhaft. Hier spielt er keine Rolle, hier ist er er selbst. Berührend, wie er von der Geburt seines ersten Kindes erzählt. Unter die Haut geht es, als er über seine Reise mit Hilfsgütern nach Syrien berichtet („Ich habe da nur einen Tag im Krieg zugebracht, aber die Reise hat mich verändert“). Hinreißend ist es, als er zum Besten gibt, wie er den großen Liedermacher Reinhard Mey dazu brachte, mit ihm ein Duett zu singen. Schade nur, dass Mey nicht im Ulmer Zelt weilte. So muss Liefers das Duett alleine singen.
Auch wenn Radio Doria „nur“die Begleitband von Liefers ist, demonstriert der Sänger, wie wichtig sie ihm ist, wie verwurzelt sie miteinander sind. Jeder bekommt seinen großen Auftritt und der meiste Spaß kommt auf, als Liefers und die vier anderen gemeinsam vorne auf der Bühne sitzen und nur mit drei akustischen Gitarren, einem Akkordeon und einem Schlaginstrument fröhliche Lieder spielen. Da wird geulkt und gelacht – und das überträgt sich wunderbar aufs Publikum.
Natürlich beherrscht Jan Josef Liefers auch die einfachen Mechanismen der Konzertbranche. Er fordert die Besucher zum Mitsingen und Mitklatschen auf, holt kurz ein siebenjähriges Mädchen auf die Bühne, um mit ihm zu plaudern, macht Scherze mit Leuten aus der ersten Reihe. Er beweist zusammen mit seinen außergewöhnlich lustigen Musikern Kenntnisse über Ulmer Prominente wie Albert Einstein, Hildegard Knef und Albrecht Ludwig Berblinger oder über hiesige Spezialitäten wie die Ulmer Wibele. Das gehört zur Show. Und die macht Spaß.