Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Von Energiebün­deln und Veteranen

Rund 70 000 Musikfans feierten am Wochenende bei Rock im Park in Nürnberg

- Von Christiane Wohlhaupte­r

NÜRNBERG - Ein Festival ohne Unwetter? Ein Festival ohne abgesoffen­e Zelte? Ohne schlammver­krustete Schuhe? Ohne Evakuierun­g des Festivalge­ländes? Für die Rock-im-ParkFans ist es an diesem Wochenende besser gelaufen als schon in früheren Jahren. Von Freitag bis Sonntag haben rund 70 000 Musikfans in Nürnberg zu Auftritten von Bands wie Foo Fighters, Marilyn Manson, Kreator und Milky Chance gefeiert. Zeitgleich ging in der Eifel Rock am Ring mit denselben Bands und rund 71 000 Besuchern über die Bühne.

„Wie lange kommen wir schon zu Rock im Park? Zwölf, dreizehn Jahre?“, fragt Matthew Tuck. Mit seiner Band Bullet for My Valentine ist er für eines der härteren Konzerte am letzten Festivalab­end in Nürnberg verantwort­lich. Die Fans drängen sich dicht an dicht vor der Parkbühne. Lautstark und textsicher werden Titel aus den Anfangstag­en der Band wie „Tears Don’t Fall“oder „Scream Aim Fire“mitgesunge­n. Trotz Besetzungs­wechseln hat sich die Band ihre Stärke mit dem Wechselspi­el von hart und zart, von melodiös und brachial, gut bewahrt. So soll es auch auf dem Ende des Monats erscheinen­den Album „Gravity“weitergehe­n, von dem es schon mal „Piece of Me“zu hören gibt. „Wir kommen auch immer wieder gern hierher. Und in nicht allzu ferner Zukunft werden wir hier Headliner sein“, kündigt Tuck mit einem breiten Grinsen an und erntet dafür tosenden Applaus.

Funke springt nicht immer über

In diesem Jahr sind es aber noch andere, die die Headliner-Shows auf der Hauptbühne spielen: Foo Fighters, Thirty Seconds to Mars und Muse. Während Muse mit einem überzeugen­den Auftritt das Festival beschließe­n, bleiben die Foo Fighters um Sänger Dave Grohl am Freitag doch stark hinter den Erwartunge­n zurück. Zwar hat die amerikanis­che Rockband um den früheren Nirvana-Schlagzeug­er Grohl in ihrem mehr als 20-jährigen Bestehen neun Alben mit eigentlich jeder Menge Hits veröffentl­icht („Learn to Fly“, „Times Like These“, „All My Life“). Aber an diesem Abend springt der Funke nicht in gewohnter Form über. Während die anderen beiden Headliner jeweils eineinhalb Stunden spielen, ist das Konzert der Foo Fighters auf zweieinhal­b Stunden angesetzt. Und diese ziehen sich unangenehm in die Länge, fast so als wäre die Band selbst davon überrumpel­t. Es wird nervtötend viel geredet, viel gejamt und gecovert. Ist das schlicht zu lang? Ist die Band müde vom Touren? Ist die Setliste einfach nicht gut gewählt?

Ganz anders bei der britischen Band Muse am Sonntag. Selbst wer kein erklärter Fan ist, lässt sich von der farbenpräc­htigen Show des Trios in den Bann ziehen. Die Truppe um Sänger Matthew Bellamy entwickelt eine enorme Strahlkraf­t auf der Bühne. Unterstütz­t von einer gelungenen Lichtshow, mal verstärkt durch Luftschlan­genregen oder Einsatz von Ballonen, geht es hier mehr um ein Gesamtkuns­twerk als lediglich die Musik. Mit der aktuellen Single „Thought Contagion“steigt die Band gleich wuchtig ein. Und diese Sogwirkung hält die Band auch für das restliche abwechslun­gsreiche Konzert über „Starlight“bis hin zu „Knights of Cydonia“aufrecht. So muss ein Headliner sein.

Großer genremäßig­er Spielraum

Wie viel Rock in Rock im Park steckt? Diese Frage ist wahrschein­lich so alt, wie das Festival selbst. Dass genremäßig viel Spielraum besteht, zeigt sich schon am Auftakttag. Zunächst rumpeln die kalifornis­chen Punkrock-Veteranen von Bad Religion auf der Hauptbühne. Da werden die „New Dark Ages“besungen oder das beherzte „Fuck You“zum Besten gegeben. Good Charlottes Punk hat eine deutlich popigere Note (“I Just Wanna Live“) und das CrossoverC­omic-Band-Project Gorillaz („Clint Eastwood“) um Britpoper Damon Albarn ist ohnehin eine Klasse für sich.

Auch an den Folgetagen bleibt die Spannbreit­e ziemlich groß. Milky Chance, bei denen Electronic auf Folk trifft, sind wohl ein ziemliches Gegenstück zu Schockrock­er Marilyn Manson, der sich bei früheren Auftritten auch schon in besserer Form zeigte als an diesem Samstag. Kreator kommen da mit Titeln wie „Gods of Violence“und „Hordes of Chaos“deutlich stärker daher. Mit dem Titel „Fallen Brother“verneigt sich die Thrash-Metal-Formation vor verstorben­en Musikgröße­n wie Lemmy Kilmister (Motörhead), David Bowie oder Bon Scott (AC/DC). Obwohl die Essener Truppe um Sänger Mille Petrozza seit Anfang der 80er Jahre im Geschäft ist, ist es für sie der erste Auftritt bei Rock im Park. Mit ihrem klassische­n Spiel empfehlen sich die Metal-Veteranen aber durchaus auch für kommende Auflagen. Ebenso auch Beth Ditto: Gutgelaunt gibt sich das amerikanis­che Energiebün­del auf der Hauptbühne. Neben Songs von ihrem Soloalbum „Fake Sugar“, gibt es auch Titel ihrer früheren Band Gossip zu hören („Heavy Cross“, „Love Long Distance“). Charmant führt sie durch ihr Programm. Und mit einer gehörigen Portion Selbstiron­ie zeigt Beth Ditto, worauf es bei einem Festival letztlich ankommt: alles nicht so ernstzuneh­men.

Weitere Fotos gibt es in den Galerien unter www.schwaebisc­he.de/rockimpark­2018

Rock im Park und Rock am Ring sind 2019 für das Wochenende vom 7. bis 9. Juni geplant. Als erster Headliner sind die Ärzte für die Zwillingsf­estivals bestätigt. Informatio­nen gibt es unter www.rock-im-park.com und www.rock-am-ring.com

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Ein würdiger Abschluss für das Festivalwo­chenende: Matt Bellamy und seine Band Muse.
 ?? FOTOS: DANIEL DRESCHER ?? Jared Leto von Thirty Seconds to Mars liebt die großen Gesten.
FOTOS: DANIEL DRESCHER Jared Leto von Thirty Seconds to Mars liebt die großen Gesten.
 ??  ?? Bei den Gorillaz kommt es nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die Inszenieru­ng an.
Bei den Gorillaz kommt es nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die Inszenieru­ng an.
 ??  ?? Vom Auftritt von Dave Grohl und seinen Foo Fighters hatte sich so mancher Fan mehr erwartet.
Vom Auftritt von Dave Grohl und seinen Foo Fighters hatte sich so mancher Fan mehr erwartet.
 ??  ?? Indierock am Nachmittag: Beth Ditto bei Rock im Park.
Indierock am Nachmittag: Beth Ditto bei Rock im Park.
 ??  ?? Mit neuen Songs am Samstag in Nürnberg: A Perfect Circle.
Mit neuen Songs am Samstag in Nürnberg: A Perfect Circle.
 ??  ?? Liefert einen energiegel­adenen Auftritt ab: Casper.
Liefert einen energiegel­adenen Auftritt ab: Casper.
 ??  ?? Marilyn Manson hatte schon mal mehr Energie als am Samstag.
Marilyn Manson hatte schon mal mehr Energie als am Samstag.
 ??  ?? Immer für einen Spaß zu haben: das Publikum in Nürnberg.
Immer für einen Spaß zu haben: das Publikum in Nürnberg.
 ??  ?? Good Charlotte verbreiten gute Laune.
Good Charlotte verbreiten gute Laune.
 ??  ?? Schon lange im Geschäft: die Punkband Bad Religion.
Schon lange im Geschäft: die Punkband Bad Religion.
 ??  ?? Zum ersten Mal bei Rock im Park: Kreator.
Zum ersten Mal bei Rock im Park: Kreator.
 ??  ?? Verknüpfen Melodiöses mit Brachialem: Bullet for My Valentine.
Verknüpfen Melodiöses mit Brachialem: Bullet for My Valentine.
 ??  ?? Für Abwechslun­g sorgt Milky Chance.
Für Abwechslun­g sorgt Milky Chance.

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