Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Balladen, bitterböse und improvisiert
Katie Freudenschuss erzählt und singt vom Gemeinschaftsgefühl in der Reklamationsschlange - Ihre neue Hymne auf Ulm hat es in sich
ULM - Über Namen macht man keine Witze. Die sind, wie sie sind, und ihre Träger haben sie sich nicht ausgesucht. Aber wenn man im richtigen Leben Katja Freudenschuss heißt, hat das Einfluss auf die Berufslaufbahn. Manche Karrieren schließen sich einfach aus oder laden zu schlüpfrigen Interpretationen des Namens ein. Also muss man andere Wege gehen: Die in Hamburg lebende Hessin Katja Freudenschuss legte es sich einen Künstlernamen zu. Sie nennt sich – in Abgrenzung zum Privatleben – Katie Freudenschuss. Und sie suchte den Weg zur Bühne. Wer sie nicht kennt oder bei ihrem Abend im Ulmer Zelt nicht erlebte, hat einiges versäumt: Es gibt jede Menge zu lachen, und Impro-Balladen in Sekunden derart gut hinzubekommen – dahinter steckt eine Menge Können.
Katie Freudenschuss nennt sich „Sachen-Sagerin“. Die 41-Jährige erzählt Geschichten, lustige und bitterböse. Und sie macht am Flügel richtig gute Musik, singt mit rauchigwarmer Stimme eigene Songs und eben aus der Situation heraus improvisierte Balladen. Ätherisch ist sie nicht, sondern richtig weiblich, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Und auf der Bühne. Wobei – Moment! Diese Stimme... Beim ersten Lied an diesem Abend im Ulmer Zelt klingelt es im Ohr, und der „Bratmaxe“-Werbesong taucht irgendwo im Gehirn auf. Ja, tatsächlich: Selbstironisch gibt Katie Freudenschuss zu, dass der Werbesong für das Würstchen, mit dem die Stimmung anfängt, ihr größter Hit war.
Wobei die Lebenshaltung von Katie Freudenschuss eine sehr konkrete ist: „Bis Hollywood is´ eh zu weit“, heißt ihr Programm, mit dem sie durch die Republik tourt. Nein, von Hollywood träumt die Wahl-Hamburgerin nicht. Poppenbüttel an der Alster mit seinem Einkaufszentrum ist auch ein lebenswerter Ort.
Mehr Pathos und Gefühl
Aber davon, ein bisschen mehr Pathos und Gefühl in den bundesdeutschen Alltag zu bringen, träumt Katie Freudenschuss. Nicht ohne Tiefsinn und Melancholie, trotzdem aber einfach witzig ist ihre Philosophie über die Einsamkeit. Einsamkeit ist nämlich etwas, durch das der Mensch ganz alleine durch muss. Und wie heilsam kann es da sein, zu spüren, dass es ganz viele Menschen gibt, die für eine gemeinsame Sache einstehen.
Der „Gemeinschaftsbatzen“: Samstags in der Reklamationsschlange bei Ikea zum Beispiel. Oder zu Ferienende auf der Autobahn. „We are the World“, sagt Katie Freudenschuss. Oder: „Wir sind das Volk.“Wie auch immer, jedenfalls wird man in solchen Momenten „Teil einer großen Bewegung von Menschen, die alle das Gleiche wollen.“ So viel Gemeinschaftsgefühl kann nur der Fußball mit der „intellektuellen Unauffälligkeit“seiner Fangesänge toppen.
Katie Freudenschuss nimmt mit ihrer Zukunftsvision eines Castings „Deutschland sucht den Super-Obdachlosen“jene Fernsehformate bitterböse aufs Korn, in denen Machern wie Zuschauern und Teilnehmern nichts peinlich zu sein scheint. Das sitzt, und das Lachen bleibt manch einem im Publikum in der Kehle stecken.
Die größte Gabe der Kabarettistin liegt aber in der Improvisation. Freilich – die in schwäbischer Mundart zugerufenen Worte aus dem Publikum wie „Schwörmontag“müssen von einer Hessin erst einmal verstanden werden, und da kann aus dem Schwörmontag auch „schwere Mundart“werden. Aber die neu gedichtete Ulm-Hymne samt Spatzen, die auf jedweder Donauseite fliegen, auf der bayerischen wie auf der baden-württembergischen, die hat es in sich – OB Czisch, die Einsteins vom Münsterplatz und die Baustellen in der Stadt. „Straßenbahnlos durch die Stadt ...“ist ein Volltreffer.