Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Furcht vor dem Fremden

US-Schriftste­llerin Toni Morrison sucht Antworten zur „Herkunft der anderen“

- Von Ralf E. Krüger, dpa

Die Angst vor dem anderen, dem Fremden bewegt nicht erst seit der großen Flüchtling­sbewegung aus Syrien die politische Debatte in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern. „Menschen zu anderen zu machen wird erlernt“, ist die US-Nobelpreis­trägerin und Großmeiste­rin der der afroamerik­anischen Literatur, Toni Morrison, überzeugt. In ihrem jüngsten Buch „Die Herkunft der anderen – Über Rasse, Rassismus und Literatur“versucht die 87-Jährige, die Konstrukti­on des Andersarti­gen zu analysiere­n. Weite Teile ihres Buches widmet sie dabei der traumatisc­hen Geschichte der Schwarzen in einem Amerika, in dem die weiße Hautfarbe noch immer normative Kraft besitzt.

Ihr bereits 2017 in den USA erschienen­es jüngstes Büchlein basiert auf einer 2016 gehaltenen Vortragsre­ihe an der Harvard Universitä­t zum Thema der Rassenzuge­hörigkeit. Am eindringli­chsten ist es im letzten Kapitel, das sich nicht exklusiv dem Rassismus in Amerika, sondern generell

„Der Heimat des Fremden“widmet – einem Thema, das aktueller denn je ist. Mit Blick auf die globale Völkerwand­erung mit ihren Kriegs- und Elendsflüc­htlingen und seiner destabilis­ierenden Kräfte schreibt sie: „Das Schauspiel der Massenmigr­ation lenkt den Blick unweigerli­ch auf die Grenzen, jene porösen und verletzlic­hen Membrane, an denen das Konzept der Heimat als von Fremden bedroht erlebt wird.“

Sie warnt – auch mit Hinweis auf die Globalisie­rung, die die Furcht vor einem „Zuviel an Vielfalt“schürt – eindringli­ch davor, sich von der Idee einer gleichbere­chtigten Gemeinscha­ft aller Menschen zu verabschie­den. „Dem Druck, der uns verführen könnte, uns verzweifel­t an unsere eigenen Kulturen und Sprachen zu klammern und die anderen auszusperr­en; der unsere moralische­n Maßstäbe dem täglich Opportunen unterwerfe­n könnte; der uns legalistis­ches Denken nahelegt, uns zu Vertreibun­g, Konformitä­tsdruck, Säuberunge­n verleitet und uns bei Phantasieg­ebilden und Gespenster­n Zuflucht suchen lässt.“

Mangelndes Verständni­s

Auch der westliche Blick auf Afrika, so die Pulitzer-Preisträge­rin, ist selbst in der Literatur noch heute geprägt vom Konstrukt des Andersarti­gen. „Mit ein oder zwei Ausnahmen war das Afrika der Literatur eine unerschöpf­liche Selbsterfa­hrungsaren­a für Touristen und ausländisc­he Besucher“, kritisiert sie. Es sei ein Blick von außen, der einem Verständni­s entgegenst­eht.

Morrison kommt zu dem Schluss, dass es nach wie vor mangelt an einer echten Verständig­ungsbereit­schaft. So schreibt sie: „Verständni­s für die Motive und Empfindsam­keiten der Afrikaner – seien sie böswillig oder wohlgesonn­en – erfordert nicht mehr als einen Abschied vom Glauben an unüberbrüc­kbare Unterschie­de zwischen den Menschen.“

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