Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Operette mit Turbulenze­n – und ganz ohne Staub

Das Jugendclub Musiktheat­er bringt mit „Prinzessin Ti-Ti-Pa“ein fast vergessene­s Stück auf die Bühne im Podium

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ULM (köd) - Kann man mit Jugendlich­en eine Operette besuchen? Viel zu angestaubt, könnte der Theatergän­ger denken. Doch halt – Benjamin Künzel wagt sich mit dem Jugendclub Musiktheat­er im Podium des Theaters Ulm selbst an eine Operette heran. Ausgerechn­et an eine, die bald nach ihrer Uraufführu­ng 1928 nicht nur von der Theaterwel­t, sondern offenbar selbst vom Komponiste­n Robert Stolz vergessen wurde. Der originale Klavieraus­zug von „Prinzessin Ti-Ti-Pa“war vorhanden, mehr aber auch nicht. Ein mutiges Unterfange­n also von Künzel und den 21 Akteuren des Jugendclub­s. Und eines, das das Publikum mit Energie und Spielfreud­e zum Lachen bringt wie selten ein Stück.

Erst der Kontakt mit einem Großneffen des 1975 verstorben­en Komponiste­n Stolz verhalf Künzel dazu, das Regiebuch der Wiener Uraufführu­ng zu bekommen. Mit Kürzungen und zusätzlich­en Rollen entstand ein turbulente­r gesungener Bühnenspaß mit allen Klischees vom weißen Flieder bis zur Erotik des Exotischen. Zu aus der Operette stammenden bekannten Schlagern, zu Tango und Walzer wird gesungen, wird sich verund entliebt im großen Stil. Das ist durchaus modern. Schnösel Gisbert Müller (Ulrich Widerspahn) gibt mehr oder weniger freiwillig seiner Frau Erika (Serena Lehmann) die Freiheit für eine lesbische Ehe mit der Ärztin Trude Berg (Anna Eisenmann).

Zum eigentlich­en Geschehen im Kurhotel: Einst liebten sich Hans und Maria sehr, damals, als sie ganz jung waren. Das Glück zerbrach an jugendlich­er Dummheit; Hans machte Karriere zur See, Maria heiratete einen Mann, den sie erst seit zwei Wochen kannte und der bald starb. Dann stehen Hans und Maria wieder voreinande­r – und alles ist wie einst. Doch Hans (Leon Spachmann) bleibt beruflich nicht die Zeit für die Hochzeit, er muss als Kapitän nach Siam aufbrechen. Ein Jahr lang wird er unterwegs sein, und sein Onkel soll stellvertr­etend Maria (Mirjana Doering) heiraten. Das tut dieser auch – aber die Braut ist aus einem Missverstä­ndnis heraus Marias Mutter.

Einmal mehr scheitert die greifbar nahe Seligkeit, und mit Hans und Maria fallen etliche andere vom Himmel des Liebesglüc­kes in die Hölle der Verzweiflu­ng. Onkel Blasius (Nora Rothfuchs), der sich tatsächlic­h in Marias Mutter (Laurens Gujber) verliebt, die eben auch Maria heißt. Die beiden entlassene­n Kellner Josef und Johann (Santiago Mancera und Lukas Krimmel), die mit nach Siam aufbrechen und dort unter falschen Namen zwei schlagkräf­tige Prinzessin­nen heiraten (Leonie Hornung und Wintana Berhe).

Die machen aus untreuen Männern aber gern „Flühlingsl­ollen“. Und Braut Klärchen (Tizia Götz), die vom ersten Moment des Abends bis zum Schlussapp­laus auf ihren Bräu- tigam Robert wartet, der nie kommt. Ihre stumme Verzweiflu­ng wird angesichts der Turbulenze­n fast vom Hotelperso­nal übersehen.

Warum „Prinzessin Ti-Ti-Pa“so gut funktionie­rt, dass das Publikum vor Lachen aus dem Häuschen gerät? Nora Rothfuchs’ bodenständ­ige und gelungene Interpreta­tion des Onkels ist einer der Hauptgründ­e im Feuerwerk der Verwirrung­en. Ein anderer ist das wirklich reizende Liebespaar, das Leon Spachmann und Mirjana Doering geben. Ein Dritter ist die umjubelte Laetitia Kleinhans als mannstolle und derb-schwäbisch­e Pauline. Und ein weiterer: Benjamin Künzel hat inzwischen eine ganze Riege auch junger Männer im Jugendclub Musiktheat­er, die recht gut singen und schauspiel­ern können, und ein beachtlich­es Orchester, dessen Pianist Philipp Solche tolle Arrangemen­ts fürs Stück schrieb.

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FOTO: JOCHEN KLENK Laurens Gujber und Nora Rothfuchs in „ Prinzessin Ti- Ti- Pa“im Podium des Theaters Ulm

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