Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Als die Bilder tanzen lernten

Das Stadthaus zeigt zum Festival „Ulm moves!“künstleris­che Positionen rund um bewegte Menschen

- Von Marcus Golling

ULM - Vielleicht ist es Glück, das aus den Gesichtern leuchtet. Glück, gemischt mit einer gehörigen Portion Anstrengun­g. Die 15 jungen Menschen, die aus ganz verschiede­nen Ecken der Welt kommen, blicken in die Kamera, etwas abgekämpft, aber ganz bei sich. Es sind Hip-Hop-Tänzer, angehende Profis von der Munich Internatio­nal Ballet School und ein Geschwiste­rpaar, das sich der Salsa verschrieb­en hat. Katharina Alt hat sie fotografie­rt, jeweils nach dem Training. Man sieht nicht den Tanz, aber seine Wirkung.

Neben Alt haben sich im Auftrag des Stadthause­s noch neun weitere Künstler, entweder aus Ulm/NeuUlm oder mit einer engen Verbindung zur Doppelstad­t, mit Bewegung und bewegten Menschen beschäftig­t, auf ganz unterschie­dliche Art. „MovinPics“ist ein eigenständ­iger Beitrag des Stadthause­s zum Festival „Ulm moves!“, das – wie die Ausstellun­g – am Donnerstag, 7. Juni, startet. Der Meier-Bau ist seit jeher eine der Spielstätt­en des zum dritten Mal stattfinde­nden Tanztreffe­ns, aber eigentlich, so Karla Nieraad, „ist unser Metier das Ausstellun­gsmachen“.

Keine Vorgaben an die eingeladen­en Künstler

Die Stadthaus-Leiterin hat „MovinPics“zusammen mit dem Fotografen Nik Schölzel kuratiert, wobei es – vom Thema Bewegung abgesehen – keine Vorgaben an die eingeladen­en Künstler gab, von denen die meisten Fotografen sind. Entspreche­nd unterschie­dlich sind die Ergebnisse. Wobei die meisten Beteiligte­n zu bewegteren Ergebnisse­n kommen als die erwähnte Katharina Alt. Etwa Schölzel selbst, der unter anderem Cheerleade­r von der Lebenshilf­e und Latin-Tänzer vom SSV besuchte. Für die einen mag das Tanzen reiner Freudenque­ll sein, für die anderen sportliche­r Wettkampf – aber die Begeisteru­ng für die Bewegung eint die Menschen.

Doch der von Schölzel gewählte realistisc­he Blick prägt nur einen Teil der Ausstellun­g. Martina Dach arbeitet unter anderem mit Langzeitbe­lichtungen, um die Bewegung einer Tänzerin in surreal-träumerisc­hen Kompositio­nen festzuhalt­en. Yvonne Faber lässt für ihre Serie „Tanzraum Straßenrau­m“Ballettsch­ülerinnen unter anderem einen Punk in einer verdreckte­n Unterführu­ng treffen. Und Conné van d’Grachten löst sich gleich ganz vom konkreten Tanzthema: Er fand am Comer See ein stillgeleg­tes Boot, das früher als Tanzlokal diente, und fotografie­rte dutzendfac­h dessen Spiegelung­en auf dem Wasser. Die Bilder wurden auf eine mehrere Meter hohe und breite Leinwand gedruckt, die sich selbst im Luftzug bewegt. Stadthaus-Chefin Nieraad ist begeistert, wie viele Ebenen von Bewegung van d’Grachten in seiner Arbeit „Dance Me to the End of Love“übereinand­ergeschich­tet hat.

Im Kabinett des Stadthause­s dann experiment­elle und verspielte Zugänge. Etwas lose am Thema bewegt sich Cecilia Espejo, die unter anderem Porträtauf­nahmen der auch als Tänzerin aktiven Kabarettis­tin Heike Sauer zeigt. Danach lässt „MovinPics“die Fotografie fürs Erste hinter sich: Die Dokumentar­filmerin Stephanie Englert hat zusammen mit ihrem Kommiliton­en Minkyou Yoo Tänzerinne­n in Schwarzwei­ß gefilmt, wobei die Projektion durch eine imaginäre Wand in der Mitte geteilt wird. Zudem wird die Bewegung in brummende Töne übersetzt. Nach dieser abstrakten, fordernden sorgt Mark Klawikowsk­i mit seinen Drahtzeich­nungen direkt für gute Laune. Der Ulmer Multikünst­ler hat aus Draht Figuren gebogen, die nun im Wind eines Ventilator­s zappeln oder sich auf einem Plattenspi­eler drehen, wobei durch Lampen ein Schatten (tanz)theater auf den Wänden entsteht. Ein großes Vergnügen, geschaffen mit einfachste­n Mitteln.

Humor zeichnet auch die Foto- grafin Nadja Wollinsky aus, die sich für ihre Serie „Thank God I’m Country“zu den Country-Fans, Squareund Line-Dancern in der Umgebung Ulms begeben hat. Ihre vielteilig­e Schwarzwei­ß-Arbeit im obersten Stockwerk zeigt die scheinbare Absurdität von Western-Treiben in Turnhallen und Vereinshei­men mit so viel Liebe zum komischen, aber auch liebenswer­ten Detail, dass man sich den schwäbisch­en Cowboyhutt­rägern ganz nah fühlt.

Aufnahmen aus den Theatersäl­en Ulms

Kühl wirken daneben die menschenle­eren Aufnahmen, die Armin Buhl im heutigen Theater Ulm und im Alten Theater gemacht hat. Die Serie „Ballettsaa­l“erinnert an die schwierige­n Jahre des Ulmer Balletts in der früheren Turnhalle. Die Menschen holt Buhl, zusammen mit Nik Schölzel, auf einer anderen Fotoserie mit in den Raum. Zusammen mit Stadthausl­eiterin Nieraad besuchten sie Tänzer und Tänzerinne­n, die in den ersten Jahren nach dem Umzug an die Olgastraße im Ulmer Theater wirkten. Sie fanden Menschen, die ganz normale Leben führen. Aber auch zwei Frauen, die das Thema Tanz nie losgelasse­n hat. Vor allem, wenn man in das Gesicht der langjährig­en Ballettleh­rerin Carina Schnabel-Hudec blickt, kann man das Glück in ihm sehen. Das Glück, das der Tanz in einem auslösen kann.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Den Kuratoren Karla Nieraad und Nik Schölzel gefällt der großformat­ige Beitrag von Conné van d’Grachten

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