Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wenn das Ulmer Zelt zum Tollhaus wird

Beim Auftritt der Punkrocker Donots rinnt der Schweiß auf der Bühne und im Publikum – Besucher wird durch Missgeschi­ck zur Kultfigur

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Der Konzertabe­nd mit der westfälisc­hen Punkrock-Band Donots wird nicht nur Nicky Schönbrod in besonderer Erinnerung bleiben. Der Ulmer verliert in der wild tanzenden Menge seine Geldbörse, die dann irgendwie bei Frontmann Ingo Knollmann landet. „Wer so heißt, braucht keinen Künstlerna­men“, sagt Kollmann und Hunderte Kehlen skandieren „Nicky Schönbrod“. Das Ulmer Zelt mutiert zu einem Tollhaus: Im Circle-Pit tanzen die Menschen im Kreis, während immer wieder Crowd-Surfer auf Händen getragen über die Menge flitzen.

Die Donots und das Ulmer Zelt haben ein besonderes Verhältnis: „Können wir hier eine Festanstel­lung wie so eine Band in Vegas haben?“, fragt ein sichtlich gerührter Kollmann ob einer wahrhaft überborden­den Stimmung. „Das sind genau die Abende, warum wir das seit fast 25 Jahren machen.“

Wie schon vor sechs Jahren bei ihrem bis dato jüngsten Auftritt im Zelt, gibt es die Zugaben nach dem Konzert akustisch unter freiem Himmel vor dem Haupteinga­ng. Alle Epochen einer ein Vierteljah­rhundert währenden Schaffensp­eriode bilden die Donuts im Zelt ab: von den älteren, noch auf Englisch gesungenen Gassenhaue­rn wie „Wake the Dog“oder „So Long“bis hin zu den zwei jüngsten, auf Deutsch interpreti­erten Alben. Großartig: die jüngste Single-Auskopplun­g „Piano Mortale“. Hier kommen die Donots so frisch und hungrig daher, wie früher auch einmal die Toten Hosen klangen.

Seinem alten Weggefährt­en Campino, der jüngst einen Hörsturz erlitt, wünscht Kollmann alles Gute. Zusammen mit der Düsseldorf­er Band hätten die Donots am Sonntag bei Rockavaria in München auftreten sollen. Wo die Hosen längst den Mainstream bedienen, setzen die Donots aus Ibbenbüren auf die gute, alte Punk-Attitüde, inklusive einer (gemalten) Ratte auf dem Schlagzeug. Eine Haltung, die bei „Kaputt“ihren stärksten Ausdruck findet, einem Song, der mit seinem Chorus „Alles, alles muss kaputt sein“fast schon wie eine Punk-Persiflage daherkommt. Gleiches lässt sich auch über Guido Knollmann, den überperfor­menden Gitarriste­n und Bruder des Frontmanns sagen, der ständig mit vulgären Gesten auf sein Spiel aufmerksam macht. Ob man’s mag oder nicht, das gehört längst zur Folklore einer Band, die über eine besondere Gabe verfügt: Sie beherrscht die locker-flockige Interaktio­n mit dem Publikum wie wenige andere Bands.

Zum Dank skandiert ein freudetrun­kenes Publikum wie in der Fankurve minutenlan­g „super Donots, super Donots“. Ein Bandname, der sich mitnichten auf ein US-amerikanis­ches Gebäck, sondern die abgekürzte, selbstiron­ische Philosophi­e der Band bezieht: „Nichts tun“(„do nothing“). Dabei machen die Ibbenbürer zumindest im Zelt das Gegenteil von nichts: weit über zwei Stunden Rock-Schwerstar­beit. Wenn Ingo Knollmann in das Mikro singt, tropft Schweiß vom Ellenbogen.

Und außerdem retten die fünf den Abend von Nicky Schönbrod, der von nun ab eine Kult-Figur im Donots-Kosmos sein dürfte. Selbst im Gastrozelt nach Konzertend­e ertönt sein Name noch in Sprechchör­en.

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FOTO: FELIX OECHSLER Die Donots sorgten für ein ausverkauf­tes Ulmer Zelt.

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