Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Jubiläum zum Abschied
Messe Outdoor kehrt nach 25 Jahren dem Standort Friedrichshafen den Rücken
FRIEDRICHSHAFEN/RAVENSBURG - Es ist ein bittersüßer Geburtstag für die Messe Friedrichshafen. Die Outdoor, eine der drei bedeutendsten Messen für den Standort am Bodensee, feiert Jubiläum: Sie wird 25 Jahre alt. Doch es ist gleichzeitig die letzte Ausgabe, denn ab nächstem Jahr ist die bayerische Hauptstadt München die Heimat der Fachmesse.
Ob das für die Aussteller gut ist, bezweifelt Albrecht von Dewitz. Der Gründer des Outdoorausrüsters Vaude aus Obereisenbach bei Tettnang im Bodenseekreis war damals eine der treibenden Kräfte, die eine eigenständige Messe für eine noch junge und kleine Branche etablieren wollten – und dies auch schafften. Am 18. August 1994 öffnete die erste Outdoor in Friedrichshafen ihre Tore für das Fachpublikum.
„Aufbruchstimmung hat damals geherrscht, richtige Gründerstimmung – bei den Ausstellern und bei der Messe“, erinnert sich von Dewitz an diese Zeit. Man habe sich sehr gefreut und es habe der Branche gut getan, eine eigene Veranstaltung zu haben. Davor haben sich die Hersteller von Outdoorartikeln auf der ISPO (Internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode) in München präsentiert – und waren damals wenige unter den vielen Ausstellern. Deshalb auch die kritischen Worte des heute 75-Jährigen, denn jetzt werde der Bereich Outdoor wieder „nur ein Teil von vielen sein“.
Damals sei der Platz in München auch begrenzt gewesen, erinnert sich Outdoorlegende Bernd Kullman, ehemaliger Chef des Rucksackherstellers Deuter, weshalb sich dort nicht alle Outdoormarken präsentieren konnten. Kullmann, der 1978 im Alter von 24 Jahren den Mount Everest in Jeans bezwang, hatte sich zusammen mit von Dewitz für eine eigene Messe für die Branche stark gemacht: „Es war das erste Mal, dass die Branche eine exklusive Plattform hatte. Das war einzigartig“, denkt er an die Zeit zurück.
Zurück an die Isar
Die IPSO in München mit Termin im Februar wirbt mit einer Ausstelleranzahl von 2800 und einer Besucherzahl von 80 000. Die Outdoor hat zuletzt 965 Aussteller und 21 400 Besucher im Juni 2017 nach Friedrichshafen gelockt. Dieses Jahr sollen es laut Veranstalter 950 Aussteller sein. Mit dem Umzug nach München haben die Bayern nun wieder eine Sommerausgabe der ISPO. Die gab es dort schon einmal, seit 1979, doch im Jahr 2008 haben die Verantwortlichen bei der Messe München entschieden, die kleine Schwester der WinterISPO wegen rückläufiger Besucherzahlen einzustellen. Kurz zuvor hatte man gegen Friedrichshafen im Kampf um die Outdoor den Kürzeren gezogen, als der europäische Interessenverband der Outdoorhersteller und -händler, die European Outdoor Group (EOG), die Messe neu ausgeschrieben hatte.
Die EOG sprach damals von einer extrem schwierigen Entscheidung. Beide Standorte hätten gute Argumente hervorgebracht, hieß es. Am Ende fiel die Entscheidung zugunsten Friedrichshafens vor allem wegen der Lage mit See und Bergen, die ein passendes Umfeld für die Outdoor biete, hieß es. Und im Gegensatz zur Konkurrenzveranstaltung, der Sommer-ISPO an der Isar, wuchs und gedieh die Outdoor am Bodensee: Im Gründungsjahr 1994 waren es 201 Aussteller und knapp 5500 Besucher, 2008 waren es bereits 780 Aussteller und an die 8000 Besucher. Und die Branche wuchs mit. Aus der Nische Outdoor wurde ein Massenmarkt mit einem Umsatz von 12,3 Milliarden Euro, wie die EOG für 2017 errechnet hat.
Friedrichshafen und die Outdoor – das ist eine Erfolgsgeschichte. Und ausgerechnet diese Branche, die zusammen mit der Outdoor über die Jahre kontinuierlich gewachsen ist und an Bedeutung gewonnen hat, kehrt dem Bodensee nun den Rücken. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 90 Prozent haben sich nach Angaben der EOG, die Verbandsmitglieder klar entschieden: Mit zwei Drittel der Stimmen setzte sich München am Ende gegen Friedrichshafen und dem dritten Mitbewerber Hamburg durch. Vor 25 Jahren habe der Standort München die Outdoorbranche verloren – „und nun haben wir sie wieder zurück. So ist das im Wettbewerb und im Sport“, sagte der Münchner Messe-Chef Klaus Dittrich kurz nach der Entscheidung Anfang des Jahres.
Professioneller und anonymer
So sehr Albrecht von Dewitz den Weggang der von ihm mitinitiierten Outdoor bedauert, kann er die Entscheidung auch nachvollziehen: Die Branche habe sich eben verändert – „ist anonymer geworden“– und damit haben sich auch die Anforderungen an eine Branchenschau verändert. So komme eben heute München als internationaler Standort eher infrage. Dass sich der Markt nach teilweise zweistelligen Wachstumsraten seit rund sechs Jahren konsolidiere, Unternehmen zu Konzernen gewachsen sind und kleinere Hersteller übernehmen, um zu wachsen, spiele ebenfalls eine Rolle.
„Wir haben in den Führungsetagen vor 25 Jahren wirklich aktive, enthusiastische Outdoor-Sportler gehabt, wie Winfried Schechinger von Tatonka und Knut Jäger von Bigpack. Heute sind das Betriebswirte und Di- plomkaufleute, die leider Gottes gerade in den großen Firmen nicht mehr allzu große Emotionen für diesen Sport haben. Das ist natürlich schade“, sagt Kullmann. Trotzdem gebe es in den Firmen natürlich weiterhin begeisterte Outdoorsportler. Ohne die würde kein Unternehmen in dieser Branche funktionieren – aber eben kaum noch an deren Spitze. „Aber das ist vielleicht Nostalgie“, sinniert Kullmann. Betrachte man die milliardenschwere Branche heute, sei die Entwicklung wirtschaftlich gesehen äußerst positiv. Vor einem warnt Kullmann jedoch: vor gewinnorientierten Beteiligungsgesellschaften als Kapitalgeber oder Inhaber: „Wäre ich damals gefragt worden, ob Deuter verkauft werden soll, hätte ich zugestimmt – unter einer Bedingung: kein Privat Equity. Das ist kein nachhaltiges Geschäftsmodell.“
Es kann nur eine geben
Trotz des Verlusts: Es soll auch weiterhin am Bodensee eine Messe für Outdoorhersteller geben. Blaue Schilder auf der diesjährigen Outdoor werben bereits dafür. Doch wie die aussehen soll und wann die stattfinden soll, da halten sich alle Verantwortlichen der Messe Friedrichshafen noch bedeckt. „Wir wollen uns ganz auf die diesjährige Ausgabe der Outdoor konzentrieren“, entschuldigte Stefan Reisinger, verantwortlich für die Messen Outdoor und Eurobike, die Zurückhaltung. EOG-Prä- sident John Jansen, Chef des Schuhherstellers Keen, sagt zwar ganz klar: „Es kann nur einen Branchentreff im Sommer geben.“Zwei gleiche oder ähnliche Veranstaltungen machten keinen Sinn – und schadeten der Branche. Hersteller wie Vaude, Schöffel, Patagonia und Deuter sehen das nach eigenen Angaben genauso. Doch eine Tür bleibt offen: Unterscheide sich das Konzept in Friedrichshafen von dem in München, könnte es Sinn machen für die Aussteller, im Sommer doppelt zu präsentieren. Eine Publikumsmesse in Friedrichshafen könne sich Jansen beispielsweise gut vorstellen. Die Öffnung für das breite Publikum hatte die EOG für die Outdoor allerdings immer abgelehnt.
Dass eine neue Outdoormesse den Umsatzverlust der bisherigen Outdoor bald kompensieren kann, ist bestenfalls fraglich. Immerhin hat die Outdoor zusammen mit der Eurobike und der Fakuma laut Brancheninsidern bis zu drei Viertel des Jahresumsatzes von 34 Millionen Euro der Messe Friedrichshafen ausgemacht, also bis zu 25,5 Millionen Euro – rein rechnerisch brachte damit jede der drei wichtigsten Messen in Friedrichshafen im Schnitt bis zu 8,5 Millionen Euro Umsatz. „Wir rechnen nicht so, dass diese Messe in einem bestimmten Zeitraum einen gewissen Deckungsbeitrag erreichen muss“, so Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen.
Ade, Feiern am See
Der Sport-undOutdoor bekleidung s hersteller ausSchw ab münchen bei Augsburg, Schöffel,w ar seit 2001 auf der Outdoor vertreten. „Dass die Stimmung stets gut war, ist auch Verdienst des Veranstaltung stea ms vor Ort, das uns immer partnerschaftlich unterstützt hat. Schließt die Outdoor jetzt nach 25 Jahren ihre Tore in Friedrichshafen, verabschieden wir uns ein wenig wehmütig mit vielen guten Erinnerungen, freuen uns aber gleichzeitig auch au feinen viel versprechenden Neustart in München“, verabschiedet sich Firmenchef Peter Schöffel von Friedrichshafen.
Vorbei sind auch die Outoor-Feiern bei Vaude in Obereisenbach. „Wir haben da immer mit bis zu 2000 Leuten gefeiert – Aussteller, Wettbewerber, da waren alle dabei“, erzählt von Dewitz. „Ich erinnere mich noch gut“, sagt Kullmann, „das waren exzessive Feste“.