Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Eisenstangen-Schläger muss in Haft
So eine Tat hat Richter Thomas Mayer noch nie erlebt - Der Jurist spricht im Prozess von einer „allerletzten Chance“für den Mann
von Wilhelm Schmid
NEU-ULM - Es ist eine ungewöhnliche Szene, die sich im Neu-Ulmer Amtsgericht abspielt: Während der Urteilsbegründung betreten fünf Polizisten den Saal 03, um den Angeklagten in Haft zu nehmen. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Thomas Mayer hat unmittelbar davor einen 35-Jährigen zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und sofort einen Haftbefehl erlassen. Denn der Mann hat eine Tat begangen, die Mayer nach eigener Aussage „in langjähriger Tätigkeit als Richter noch nie so erlebt“hat.
Der in Kasachstan geborene eingebürgerte Deutsche war in der Nacht zum 1. Mai 2017 im Neu-Ulmer Obdachlosenasyl „Nuißlheim“zu Gast und schlug dort mit einer dreißig Zentimeter langen Fahrrad-Sattelstange drei Mal auf eine ebenfalls aus Kasachstan stammende 26-Jährigen ein. Die Frau erlitt lebensgefährliche Verletzungen: Nasenbein, Jochbein, Augenhöhle und Schlüsselbein waren zertrümmert.
Als Zeugin vor Gericht erklärt die 26-Jährige, dass sie dem Angeklagten Drei Jahre und sechs Monate muss ein 35- Jähriger ins Gefängnis.
nach dessen Entschuldigung verziehen habe. Vor der Attacke hatte sie Wodka und zwanzig Flaschen Bier besorgt. Der Angeklagte ist seit Jahren Alkoholiker.
In der „missglückten Walpurgisnacht“, wie es Richter Mayer ausdrückt, saß die Frau mit ihrem Lebensgefährten und dem Angeklagten beim Nuißlheim am „romantischen Lagerfeuer“und war schließlich so
betrunken, dass sie ins Bett ging. Gegen vier Uhr stellte der Angeklagte fest, dass seine Jacke fehlte. Die hatte er zuvor auf dem Fahrrad abgelegt, mit dem das spätere Opfer zum Bierholen an eine Tankstelle gefahren war. Der Mann ging ins Zimmer der 26-Jährigen, schlug deren Lebensgefährten ins Gesicht und malträtierte dann die Frau.
Vor Gericht gibt der Angeklagte vor, sich nicht mehr daran erinnern zu können, da er stark betrunken war. „Der Alkohol ist Ihr Todfeind“, sagt Mayer. Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft und hat alle Taten betrunken begangen.
Zusätzlich zur Körperverletzung werden Beleidigungen von Polizisten und Fahrten mit dem Fahrrad mit je knapp drei Promille verhandelt. „An sich müsste man die Tankstelle schließen“kommentiert Richter Mayer die Tatsache, dass der Angeklagte stets „nachts an der Tanke“Bier geholt hat und dabei jedes Mal an der Polizeiinspektion vorbeifuhr.
Der 35-Jährige gesteht die Taten, obwohl er sich nach eigener Aussage nicht an die Schläge mit der Eisenstange erinnern kann. Was aus seinem Lebenslauf klar wird, bescheinigt auch Gerichtspsychiater Dr. Andreas Küthmann: Alkohol stellt das Hauptproblem des Mannes dar. Im Prozess bleibt nur die Frage nach der Höhe der Strafe. Drei Jahre und sechs Monate, lautet schließlich das Urteil. Der Angeklagte muss zunächst für vier Monate in Haft und wird dann in die forensische Psychiatrie zum Entzug überwiesen.
Wenn ihm dort nach voraussichtlich zwei Jahren bescheinigt wird, dass er „trocken“ist, kann der Rest seiner Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Das sei, gibt Richter Mayer zu bedenken, die „allerletzte Chance“für den Angeklagten, in ein halbwegs normales Leben zurückzufinden. Bisher habe er sich „wie ein Blindgänger, der bei der kleinsten Berührung sofort losgeht“, aufgeführt und sich so neun Vorstrafen eingehandelt, darunter auch Haft.
Verteidigerin protestiert gegen Haftbefehl
Verteidigerin Dorothee Messer, die vor dem Urteil auf ein geringeres Strafmaß in Verbindung mit einer Entziehungskur plädiert hat, behält sich eine Berufung vor und kündigt gegen den sofortigen Vollzug des Haftbefehls Beschwerde an. Den begründet Mayer damit, dass der im Haus seiner Mutter Angeklagte keinerlei Bindungen habe und somit Fluchtgefahr bestehe: „Wer nur im Nuißlheim und an der Tanke sozialen Kontakt hat, der stellt sich außerhalb der Gesellschaft“, sagt der Richter.