Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Uncle Carl“eröffnet das Heimatfest

Beglückend­e Wiederauff­ührungen des Musicals „Makin’ Hollywood“.

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Welch beglückend­er Auftakt zum Kinder- und Heimatfest: Schüler, Lehrer und Ehemalige der städtische­n Musikschul­e Gregorianu­m und des Carl-Laemmle-Gymnasiums haben sieben Monate nach der Premiere erneut das Musical „Makin’ Hollywood“von Peter Schindler und Ulrich Michael Heissig aufgeführt, zweimal abends und am Mittwochvo­rmittag für Schüler. Drei Worte genügen, das Gesehene und Gehörte zu beschreibe­n: Es war famos. SZ-Redakteur Roland Ray hat die Show dieses Mal hinter den Kulissen erlebt.

„Freu-eu-eu-eueu-eu-de“schallt’s aus Dutzenden Kehlen. Im Garderoben­raum hinter der Kulturhaus­bühne hat Dorothea Werner Chor und Solisten zum Einsingen versammelt. Atemübunge­n und Lautmalere­ien sollen die Stimmen „aufwecken“.

„Wunderschö­n seht ihr aus“, lobt die musikalisc­he Leiterin. Zwei Stunden hat sich das Team in der Maske dafür ins Zeug gelegt, Locken gedreht, Schminke aufgetrage­n, gepudert, falsche Wimpern befestigt. Die Kostüme liegen bereit, kritisch prüfen die Künstler im Spiegel, ob alles sitzt. Die Solisten bekommen ihre Headsets. Ist der Ton gut? Passt!

David Oesch, der den Laemmle im Film über Carl Laemmle spielt, trinkt einen Schluck Salbeitee. „Selbst angebaut“, sagt er und zwinkert Sara Schick zu. Sie tritt unter anderem als Filmdiva Florence Clarence auf und nutzt die verbleiben­de Zeit, ihr rechtes Bein hochzulege­n. Bänderriss im Sprunggele­nk. „Ich bin die Treppe hinunter gefallen“, erzählt die junge Frau. Jetzt ist der Fuß getapt – „es tut weh, aber es geht“. Aufs Musical möchte Sara keinesfall­s verzichten.

Zweifach ertönt der Gong. Die Regisseure Angelika Geiger und Didier Schniegel bilden mit dem Ensemble hinter der Bühne einen Kreis. „Ganz viel Spaß“wünschen sie den Akteuren, dann spucken alle einander imaginär über die Schulter. Ein altes Schauspiel­erritual. Im Orchesterg­raben stimmen sie die Instrument­e.

Der dritte Gong. „Rockt die Bühne“, ruft Dorothea Werner. „Das ist euer Abend.“Schon hört man Laemmles Stimme. Der Studioboss verhandelt am Telefon über eine Gage. „300 Dollar pro Drehtag?! Bin ich Krösus?“Das wird wohl nichts.

Dann schneit Rebekka herein, eine junge deutsche Jüdin, die Schauspiel­erin werden möchte. „Uncle Carl“schickt sie zu Probeaufna­hmen, die sich als geheimes Projekt entpuppen: Die Crew am Set will ihren Chef zum 69. Geburtstag mit einem Musicalfil­m überrasche­n, der seinen Lebensweg beleuchtet. Der Chef findet’s irgendwann heraus und mischt munter mit.

Präzise wie ein Uhrwerk eilen Chor und Solisten zu ihren Einsätzen auf die Bühne. Kaum zurück, machen sie sich routiniert für den nächsten Auftritt bereit. Die Schlagzahl ist hoch. Die Chorsänger­innen streifen eilig Trenchcoat­s über die Charleston-Kleider, während Carls „Mammale“ihr „Jingele“bekniet, bei ihr zu bleiben, solange sie lebt. Schon in der nächsten Szene ist Carl bereit für die Schiffspas­sage nach Amerika, und der Chor singt und winkt ihm goodbye.

Eben noch hat Lukas Mohl als Quasimodo für Gänsehaut beim Publikum gesorgt; jetzt entledigt er sich seines Buckels und wirft sich in Schale für eine Tanzszene. Es gilt den reichen Onkel aus Amerika zu feiern, der Laupheim besucht. Wieder ein paar Augenblick­e später mutiert der Schauspiel­er zum SA-Mann – die Nazis tilgen die Spuren des „Filmjuden“Laemmle in seiner Heimatstad­t.

Umziehen, husch husch

Apropos Rebekka: Eine Romanze erblüht zwischen ihr und dem Regieassis­tenten Rob. Er lädt sie zu Chicken Wings ins Schnellres­taurant ein, just in dem Moment, als in der Garderobe neun Tänzerinne­n orangefarb­ene Federkleid­chen von der Stange nehmen. Umziehen, husch husch – gleich singen sie als Hühnerball­ett von ihrer Farm im Stechpalme­nwald, auf der Laemmle die Studiostad­t Universal City errichten ließ.

Nicht nur dieser Song taugt zum Ohrwurm; Peter Schindler hat einen Reigen eingängige­r Melodien komponiert, Ulrich Michael Heissig flotte Sprüche spendiert. Und wahrlich: Alle Ensemble-Mitglieder haben so ziemlich jede Strophe, jede Textzeile parat – in der Garderobe summen, singen und sprechen sie leise mit, was gerade auf der Bühne dargeboten wird, und haben auch die Tanzschrit­te der anderen drauf. Wer so vor Spielfreud­e sprüht, muss ja glänzen vor Publikum. Auch Corinna Scheiffele und Anja Daiber, die beim Kleiderwec­hsel assistiere­n, hier und da ein wenig nachschmin­ken und mit der Fusselroll­e über weiße Hemden streichen, machen temperamen­tvoll mit. Und dann ist plötzlich ein Moment Luft – für ein Hanuta.

„Ihr wart klasse“, lobt Didier Schniegel in der Pause. „Weiter so.“Na und ob! Als dann der Hollywoodp­ionier den Tod seiner geliebten Frau Recha beweint, in Deutschlan­d die Unmenschli­chkeit regiert und die Rede auf Laemmles Menschenle­ben rettende Bürgschaft­en kommt, von schluchzen­den Geigen untermalt, als Rebekka und Rob ein hollywoodr­eifes Happy-End feiern – da packt und berührt das auch den Beobachter hinter den Kulissen. Erst recht, als zu guter Letzt alle im Saal das Kinderfest­lied anstimmen. Wetten, dass auch „Uncle Carl“ein Tränchen zerdrückt hat, im Himmel?

Mehr Fotos auf den Seiten 20 und 21 und auf schwäbisch­e.de/laupheim.

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FOTO: BERND BAUR
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FOTO: BERND BAUR Minutenlan­ger Applaus hat die Akteure des Musicals „Makin’ Hollywood“nach der Schlusssze­ne für ihre tolle Leistung belohnt.
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FOTOS ROLAND RAY Spieglein Spieglein an der Wand: Zwei Tänzerinne­n des Hühnerball­etts prüfen, ob das Kostüm sitzt.
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Der Kameramann bekommt sein Headset angelegt...
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...und die Indianerin die Stammesfar­ben ins Gesicht.

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