Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Streit um steinalten Steinkreis

Die Briten lieben Stonehenge – um einen geplanten Autobahntu­nnel gibt es jetzt Ärger

- Von Sebastian Borger

LONDON - Zur Sommersonn­enwende versammeln sich Tausende am berühmten Steinzirke­l Stonehenge. Um das Unesco-Monument ranken sich viele Mythen – und dieser Tage entzündet sich auch Streit daran.

Die Museumsbeh­örde English Heritage rät zu festem Schuhwerk, einem kleinen Regenschir­m (große sind verboten) sowie warmer Kleidung, schließlic­h wird es auf der Hochebene der südenglisc­hen Grafschaft Wiltshire auch im Juni gelegentli­ch empfindlic­h kalt. Alles ist bereit für die Sommersonn­enwende am berühmten Steinmonum­ent von Stonehenge, das die Unesco zum Weltkultur­erbe zählt. Tausende von Esoteriker­n und Druiden versammeln sich in der Regel hier. Dafür gibt es zwei Gründe, einen profanen und einen spirituell­en: Der Donnerstag gehört neben der Wintersonn­enwende zu den einzigen Tagen im Jahr, an denen Stein-Begeistert­e keinen Eintritt bezahlen müssen. Und zum einzigen Mal im Jahr erreicht die Sonne die Mitte des Steinkreis­es.

Stonehenge ist von Mythen umgeben. Stonehenge sei eine Heil- und Pflegeanst­alt für leidende Urmenschen gewesen, glauben die einen, während andere theologisc­hen Theorien anhängen. Handelte es sich um ein urzeitlich­es Observator­ium? Oder war der prähistori­sche Steinzirke­l eine Grabstätte für die Berühmthei­ten der Jungsteinz­eit? Rätsel über Rätsel. 4500 bis 5000 Jahre alt sind die Felsbrocke­n, viel präziser geht es trotz modernster wissenscha­ftlicher Methoden nicht. In der Zeitrechnu­ng von Archäologe­n und Steinkreis-Enthusiast­en sind ein paar Jahrzehnte eine lächerlich geringe Zeitspanne. So lange dauert nun schon die Diskussion darüber, wie das Weltkultur­erbe am besten für die Nachwelt erhalten werden kann. Ein wichtiges Problem stellt dabei die Landstraße A303 dar, welche eine aus London führende Autobahn mit einer anderen im Südwesten der Insel verbindet. Tag und Nacht donnert der Schwerverk­ehr am Steinkreis vorbei, was Denkmalsch­ützern seit Langem ein Dorn im Auge ist.

Unesco-Komitee gegen Planungen

Nun hat die zuständige Behörde Highways England einen ambitionie­rten Plan vorgelegt: Ein knapp drei Kilometer langer, vierspurig­er Tunnel, Teil eines 1,8 Milliarden Euro teuren Faceliftin­gs für die A303, soll ab 2026 den Verkehr vom Nationalhe­iligtum wegführen. Der Tunnel sei zu kurz, finden die Gutachter des britischen Unesco-Komitees und befürchten negative Auswirkung­en der Bauarbeite­n auf andere Ausgrabung­sstätten rund um Stonehenge. Einen ganz anderen Einwand erhebt der frühere „Times“-Chefredakt­eur Sir Simon Jenkins. Normale Briten, so der umtriebige Journalist, könnten den Steinkreis am besten von dort aus genießen, wo sie sich ohnehin gern aufhalten, nämlich im eigenen Auto. „Die Steine sehen aus einiger Distanz großartig aus. Ein flüchtiger Blick reicht aus, nähere Inspektion ist gar nicht nötig“, lautet Jenkins’ verblüffen­de Argumentat­ion. Da die Verlegung der A303 in einen Tunnel Hunderttau­senden von Autofahrer­n jährlich diesen erhebenden Augenblick verwehren würde, solle man das teure Projekt am besten begraben.

Die Debatte um den Tunnel dürfte noch ein paar Jahre dauern. Ohnehin gibt es ganz grundsätzl­iche Einwände gegen alle Modernisie­rung rund um Stonehenge. „Das war hier ein Heiligtum, und jetzt ist es eine Geldmaschi­ne”, sagt Arthur Uther Pendragon, ein exzentrisc­her Brite und selbsterna­nnte Wiedergebu­rt des legendären König Artus. Unklar bleibt allerdings, was der als John Rothwell geborene König eigentlich mit Stone-henge zu tun hat. Sollte es den legendären Artus denn gegeben haben, so ist er im fünften Jahrhunder­t unserer Zeitrechnu­ng anzusiedel­n. Hingegen wurde Stonehenge seit etwa 1600 vor Christus nicht mehr genutzt – wozu auch immer.

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FOTO: DPA Anhalten unnötig: „Ein flüchtiger Blick reicht“, sagt der frühere „Times“Chefredakt­eur Sir Simon Jenkins über Stonehenge.

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