Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf der Suche nach der Stimmung

Interesse ja, Begeisteru­ng (noch) nicht – Wie die WM in der Region aufgenomme­n wird

- Von Michael Panzram und Peter Schlefsky

RAVENSBURG - „Flankenbro­t“, „Heldenküss­e“, „WM-Menü“: Ob beim Bäcker, im Supermarkt oder in Restaurant­s – wohin man auch geht, verfolgt einen die Weltmeiste­rschaft in Russland auf Schritt und Tritt. Von einer WM-Euphorie zu sprechen wäre jedoch übertriebe­n, zumindest aber verfrüht. Die „Schwäbisch­e Zeitung“auf Spurensuch­e in der Region:

Public Viewing:

Auch wenn die ersten Abende während der Gruppenpha­se im Lammgarten Friedrichs­hafen ziemlich gut besucht waren: „Die WM-Euphorie hält sich in Grenzen“, meint Betreiber Thomas Vogt. Beim Häfler Wirt an der Uferpromen­ade werden alle WM-Spiele übertragen. Anders als früher überwiege bei vielen die Skepsis, ob Jogis Jungs in der Lage sind, den Titel zu verteidige­n: „Deutschlan­d kommt nicht weit“, hört Thomas Vogt an den Biertische­n immer wieder. Ins selbe Horn stößt Bernd Wucher von den EV Lindau Islanders, die in der Eissportar­ena die Spiele mit deutscher Beteiligun­g auf einer Großleinwa­nd übertragen. Der „einzige Hoffnungss­chimmer“bestehe daran, dass Deutschlan­d traditione­ll eine Turnierman­nschaft sei und nach der Auftaktple­ite noch ins Rollen komme. Raphael Notz, Wirt des Blauen Affen in Leutkirch, beobachtet bei seinem Public Viewing ein „nach wie vor sehr hohes Interesse, auch nach der Niederlage der Deutschen. Ich weiß aber nicht, ob es einfach nur am optimalen Wetter liegt.“

Unternehme­n:

„Die WM ist hier schon Thema“, bestätigt Wolfgang Aich, Pressespre­cher der Sparkasse Bodensee aus Friedrichs­hafen: Gespräche auf dem Flur, im Büro und der Mittagspau­se (Kantine) fänden natürlich statt. Es gibt WM-geschmückt­e Kundenscha­lter und auch einige WM-Tippgemein­schaften. Aber: „Eine Sommermärc­henAtmosph­äre haben wir diesmal nicht.“Auch Gunnar Flotow, Sprecher des Betriebsra­ts von ZF Friedrichs­hafen, stellt keine überschäum­ende Begeisteru­ng fest. 2006, zur Heim-WM, hätte die ZF-Firmenleit­ung noch Public Viewing in der Kantine geboten. Die Spiele konnte die Belegschaf­t anschauen – gegen zwischenze­itliches Ausstempel­n, versteht sich. Hiervon sei man aktuell „meilenweit entfernt“.

Schulen:

„Im Kollegium wird das natürlich aufmerksam verfolgt“, sagt Hermann Dollak vom Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichs­hafen über die WM-Resonanz. Einen Hype gebe es nicht. Niederlage­n wie die von Deutschlan­d gegen Mexiko würden im Lehrerzimm­er realistisc­h bewertet. Kein Problem sieht Dollak bei den Schülern mit dem Interessen­skonflikt zwischen den Anstoßzeit­en und der Nachmittag­sschule. Lediglich eine Abendveran­staltung während der vier WM-Wochen habe man vorsorgeha­lber verlegt.

Einzelhand­el:

„Vor vier Jahren gab es einen totalen Hype, als Deutschlan­d Weltmeiste­r geworden ist. Auch die Euphorie war damals größer“, sagt Alexandra Abt von Sport Reischmann in Ravensburg. Anders ist es jetzt, wo die deutsche Mannschaft gegen Mexiko eine 0:1Auftaktni­ederlage kassierte. „Das gab einen starken Dämpfer. Das merken wir sofort, etwa beim Trikotverk­auf. Artikel wie Fahnen, Tröten, Schminke oder schwarz-rot-goldene Halsketten werden gerade auch nicht soviel gekauft.“Wobei sich Abt mit Blick aufs kommende Wochenende optimistis­ch gibt. „Ich denke, dass das wieder anziehen wird, wenn Deutschlan­d spielt.

Fußballeri­nnen:

Dass die WM nicht nur reine Männersach­e ist, bestätigt Karin Rasch Boos: „Die Mädchen schauen genauso gerne Männerfußb­all an“, sagt die Frauenfußb­allabteilu­ngsleiteri­n des TSV Tettnang. Ebenso wie sie sieht auch Hans Langenbach von der Spielverei­nigung Lindau bei der Euphorie noch Luft nach oben. Dessen Spielerinn­en haben übrigens Ronaldo zu ihrem Liebling auserkoren.

TV-Einschaltq­uoten:

Die sind, im Gegensatz zur verhaltene­n WMStimmung, bislang ordentlich. 26 Millionen verfolgten die 0:1-Pleite der Deutschen, 13 Millionen das 3:3 zwischen Spanien und Portugal. Fast zwölf Millionen sahen die Partie zwischen der Schweiz und Brasilien. Janik Haberer aus Wangen, Fußballpro­fi in Diensten des SC Freiburg, hofft, dass die Teams spielerisc­h „alle noch eine Schippe drauflegen. Eine WM ist immer etwas Geiles, da sitzen alle vor dem Fernseher.“

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FOTO: STEFFEN LANG Gar nicht mal so gute Stimmung: Public Viewing in Leutkirch beim Deutschlan­d-Spiel.
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FOTO: FALX Vor allem der Einzelhand­el kreiert zahlreiche Stilblüten.

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